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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zurückzukehren. Dann war Anton Schwarz ganz allein, mit seinem Häuschen Nr. 36, dem Gärtchen und dem Sandkasten voller Divisionen.
    »Ich komme Sie bestimmt besuchen!« rief Schwarz, als der Zug anruckte. Dann winkte er, bis die Schlange der grauen Wagen im Dunst des Tages unterging. Er wußte, daß man sich nie wiedersehen würde. Ein Lebensabschnitt war weggezogen worden, wie ein Kalenderblatt.
    *
    Die Firma wurde erweitert.
    Man nahm neue Artikel auf und nannte sich jetzt ›Gesellschaft haushaltserleichternder Artikel‹. Man verstand darunter – alles gut verzinkt – : Durchschläge aus Kochgeschirren, Kartoffelreiben aus auseinandergeschnittenen und dann durchlöcherten Gasmaskenbüchsen, Siebe aus Kochgeschirrdeckeln, Bratpfannen aus gewalzten Granatenkisten, Kasserollen aus Handgranatenkisten oder MG-Munitionsbehältern. Sogar Radios tauchten auf, aus alten Wehrmachtsröhren und Lautsprechern gebastelt. Der Clou war der Verkauf von siebenundfünfzig kompletten Wehrmachtsfeldküchen, voll eingerichtet mit Töpfen, Löffeln, Sieben, Geschirr, Behältern.
    Woher sie kamen, das fragte Heinrich Emanuel nicht mehr. Er besichtigte nur fachmännisch die aufgefahrenen Feldküchen weit außerhalb Frankfurt in einem kleinen Dorf, wo sie durch Heuschober getarnt waren.
    »Was sagen Sie nun?« fragte der Verkaufschef. »Siebenundfünfzig komplette Stücke. Das ist ein Vermögen. Können Sie die Dinger verkaufen?«
    »Was sollen sie kosten?«
    »10.000 Mark.«
    »Alle?«
    »Das Stück«, sagte Kamerad Hauptmann milde.
    »Das ist ja über eine halbe Million …«
    »Na und?«
    »Und meine Provision?«
    »Sagen wir: Pro Stück 1.000 Mark.«
    Schütze schluckte. 57.000 Mark. Er lehnte sich an eine der Feldküchen. »1.500,- Mark«, sagte er laut. Ihm wurde heiß.
    »Gut. Aber – das Risiko tragen Sie. Wenn Sie auffallen … wir wissen von nichts. Für 85.500 Mark müssen Sie schon was tun.«
    Schütze nickte. Sein Hals war trocken. Die Summe, die in seiner Hand lag, machte ihn fast schwindelig. Noch wußte er nicht, wie er die 57 Feldküchen unbemerkt verkaufen sollte. Aber daß er sie verkaufen würde, darüber bestand kein Zweifel.
    An diesem Tag klapperte Schütze mit seinen Haushaltswaren nicht mehr Häuser ab. Er setzte sich in eine Wirtschaft, trank für 15 Mark drei Habras (Selbstgebrannte Schnäpse) und zwei Glas Dünnbier, im Volksmund Urinol genannt, und dachte intensiv nach.
    Feldküchen sind etwas für größere Werke, für Organisationen. Man müßte also erst einmal bei den Direktoren –
    Heinrich Emanuel Schütze kaufte sich auf dem Schwarzmarkt ein Fahrrad. Er bezahlte 3.000 Mark dafür. Amelia begriff es einfach nicht, als er am Abend radelnd vor dem Haus hin und her fuhr.
    »Haben wir keine anderen Sorgen?« murrte sie. »Uta spart für einen Wintermantel, Fritzchen braucht neue Schuhe und einen Winteranzug, von mir will ich gar nicht reden – und du kaufst ein Fahrrad. War das nötig?«
    »Das ist mein Betriebskapital.« Heinrich Emanuel trug das Rad wie einen Schatz in den Keller und kettete es an der Wasseruhr an. »Mit diesem Rad strample ich euch aus aller Not.«
    Amelia ging wütend hinauf in die Wohnung. Sie aß nicht mit, sondern stellte Schütze sein Abendessen allein auf den Tisch. Durch die erste Hilfe für Heimatlose hatten sie drei Betten, einen alten Küchenschrank, einen klapprigen Herd und einen Tisch bekommen, der lange im Regen gestanden hatte und dessen Platte sich aufwölbte. Mit Hilfe von Giselhers Mehlsendungen war dann einiges noch hinzugekommen, so daß die beiden Zimmer wieder wohnlich und gemütlich waren … den veränderten Umständen entsprechend.
    Es zeigte sich, daß Oberstleutnant a.D. Schütze das Talent der Organisation nicht im Krieg gelassen hatte. Mit System und militärischer Zucht besuchte er die im Aufbau befindlichen Werke und empfahl seine ›Kücheneinrichtungen‹. Er fand geneigte Ohren. Auch einige Großbauern zeigten sich interessiert. Sie boten im Gegenwert Schweine an.
    Heinrich Emanuel Schütze lebte wie in einem Fieber. Die Feldküchen gingen weg wie warmes Brot. Die Gelder flossen. Sechsundfünfzig Feldküchen rumpelten in den Nächten über die Landstraßen. Die Welt sah rosig aus wie ein Marzipanschweinchen.
    Nur über die letzte, die siebenundfünfzigste Feldküche, stolperte er. Sie brach ihm fast den Hals.

19
    In fröhlich-seliger Stimmung, nach der heutigen Nacht 85.500 Mark in der Brieftasche zu haben, fuhr er mit einem ›Begleitkommando‹

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