Manöver im Herbst
verblutet.«
»Und jetzt saugt er Schmutz aus der Wäsche. Nützlich ist er also immer noch.«
»Und das alles kostet 35,- Mark?«
»Bei dem Wert unserer Mark fast geschenkt. Zudem gibt es das ohne Bezugsschein und ohne Tauschmittel. Das allein genügt, um einen Rekordabsatz zu erwarten. Wo heute alles nur über den Schwarzmarkt zu bekommen ist, taucht ein Gerät frei auf. Das wirkt auf die deutsche Seele wie ein Magnet.«
»Und – wo bekommen Sie die Stahlhelme her?«
»Das ist Aufgabe der Produktion. Sie sollen verkaufen.«
Der Kamerad Hauptmann wurde sehr zugeknöpft. Wer Geld verdienen will, sollte nicht fragen. Wenn man es in der Hand hält, stinkt es weder nach Korruption noch nach dunklen Kanälen. Auch die Schrotthändler fragt niemand, woher sie plötzlich verlassene Villen kaufen können.
Oberstleutnant a.D. Schütze machte einen Probegang.
Er nahm einen ›halbautomatischen Wäschesauger‹, wie der durchlöcherte, verzinkte Stahlhelm in der Fachsprache nun hieß, in einem Koffer mit und begann an der Peripherie Frankfurts mit dem Klinkenputzen.
Er war fünf Stunden unterwegs.
Der Erfolg war verblüffend. Er hatte erreicht: Vier Butterbrote, eine Stunde Vortrag über den 20. Juli in Paris bei einem alten General, einen Teller Kartoffelsuppe, ein Angebot eines späten Mädchens, seinen Apparat doch nach 20 Uhr vorzuführen, es gäbe auch ein Gläschen Schnaps, damit er besser stampfte; zehn Versprechen, mit dem abwesenden Ehemann zu reden, dreiundvierzig zugeknallte Türen, eine Bedrohung, als er leichtsinnig erzählte, er sei Oberstleutnant a.D.; eine Witwe, die ihn gleich dabehalten wollte (Schütze, nicht den Stampfer) und zwölf Lieferungsaufträge.
»An einem Tag gleich zwölf. Gratuliere!« Der Kamerad Hauptmann klopfte Schütze auf die Schulter. »Sie sind eine Verkaufskanone! Na – wollen wir?«
Heinrich Emanuel wollte. Er war über sich selbst verblüfft. Seine Provision betrug 5,- Mark pro verkauften Stampfer. Nur fünf am Tage verkauft … das machen bei nur 20 Arbeitstagen glatte 500,- Mark. Eine Rechnung, die alles entschied. Schütze unterschrieb den Vertrag. Sogar zwei Zimmer erhielt er durch Vermittlung der Firma. Zwei elende Löcher ohne Fenster und mit herunterhängenden Decken.
Aber man konnte sie zurechtmachen. Das Wasser lief noch in den freiliegenden Leitungen, elektrisches Licht konnte wieder gelegt werden, der Fußboden war zerrissen, aber mit einigen Latten und Linoleum darüber würde auch das gehen.
Heinrich Emanuel schrieb an seinen Sohn Giselher. Er verschwieg nichts. Er zählte auf, was er brauchte: Bodenbelag, einen Maurer, der die Wände und Decken in Ordnung brachte, einen Schreiner, der die Fenster lieferte, einen Elektriker, der …
Giselher machte es möglich. Zum erstenmal fragte Schütze nicht, woher es kam, ob es recht sei, ob man sich noch mit freiem Blick im Spiegel ansehen konnte.
Giselher schickte innerhalb von vier Tagen in einzelnen Paketen zwei Zentner Mehl und 10 Pfund Haferflocken.
Der Aufbau begann. Heinrich Emanuel Schütze zog mit seinem durchlöcherten, verzinkten Stahlhelm von Haus zu Haus, offerierte ihn als halbautomatischen Wäschesauger, wusch in zahllosen Waschküchen an Waschtrögen und Wannen den Frauen etwas vor, drückte, boxte, saugte und stampfte die dampfende Wäsche, bis er außer Atem kam und seine Haut von den Waschdämpfen durchweicht wurde wie ein in Milch liegendes Brötchen.
Aber er verkaufte. Nur Erfolge zählen … wie sie errungen werden, interessiert die Welt nicht.
Die beiden Zimmer wurden wohnlich. Einen Monat lang aßen die Familien der daran beteiligten Handwerker Mehlsuppen oder buken Kuchen.
Endlich – nach vier Monaten – setzte sich Schütze hin, füllte eine Postanweisung aus und schrieb einen Brief.
»Meine Familie! Es ist soweit. Am Dienstag komme ich euch holen. Mit dem gleichzeitig angewiesenen Geld bezahlt alles, was ihr euch geliehen habt.«
Wieder brachte Anton Schwarz die Familie Schütze zum Bahnhof, wie schon einmal vor fast zwei Jahrzehnten.
»Ich kann Ihnen niemals danken, was Sie für uns getan haben«, sagte Schütze und drückte dem Werkmeister immer wieder die Hand.
»Das war doch selbstverständlich.« Anton Schwarz fiel der Abschied schwer. Man sah es ihm an. Sein Sohn Ewald war immer noch in Gefangenschaft. Er schrieb begeistert. Er wurde in Amerika, im Camp, zum Feinmechaniker ausgebildet. Er spielte sogar mit dem Gedanken, nach der Entlassung wieder nach den USA
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