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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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krampfhaft die Terrine fest. Wie weiß er geworden ist … ganz weiß … Aber seine Stimme ist noch immer die alte. Sie sah zu Anton Schwarz hinüber. Er nickte ihr zu und winkte.
    »Linsensuppe –«, sagte Amelia schwach.
    Durch Heinrich Emanuel lief ein Schlag. Von den Haarwurzeln bis zu den Zehen durchrann es ihn, schüttelte seinen Körper. Er saß erstarrt, rührte sich nicht, wandte sich nicht um. Ich bin verrückt, dachte er plötzlich. Ich höre Amelias Stimme, und dabei ist es Frau Schwarz, die sagte: »Linsensuppe.«
    »Das … das ist schön …«, sagte er stockend. Dann wandte er langsam den Kopf und sah in die großen, tränennassen Augen Amelias. Anton Schwarz nahm ihr schnell die Terrine ab und rannte in die Küche. Dort schloß er die Tür, gab die Suppe an seine Frau zurück und brummte: »Wärm se auf. Vor 'ner halben Stunde essen wir nicht. Und umgefallen ist er auch nicht –«
    Es wurde sehr spät, ehe man endlich um den Tisch saß und die Linsensuppe löffelte. Für Heinrich Emanuel war die Welt wieder komplett. Er hatte alles erfahren, was in den vergangenen Monaten ertragen worden war. Auch die Box 12 hatte er hingenommen. »Das wird jetzt alles anders!« hatte er gerufen. »Was, Amelia … wir alle gemeinsam, und die Zähne zusammengebissen. Das muß doch klappen!«
    Am nächsten Morgen schickte er ein Schreiben nach Frankfurt. Zu der Wäschestampferfirma. Er ließ sich sogar herab, zu antworten: »Lieber Kamerad!« Für Amelia tat er es. Für die Kinder.
    »Sie wollen also doch Vertreter werden?« fragte Anton Schwarz.
    »Als Lagerist bleibe ich immer in meinen Kellerräumen. Das ist sicher, aber kein Fortschritt, lieber Schwarz. Wir sind dabei, Deutschland wieder aufzubauen. Und ich weiß, daß hier ein Platz für mich ist. Heute sind es Wäschestampfer … wer weiß, welche Möglichkeiten die Zukunft uns bietet, dort wieder aufzubauen, wo Tatkraft und Erfahrung gesucht werden.«
    »Sie hoffen wieder auf ein neues Militär?«
    »Aber nein. Das ist endgültig vorbei. Wer wird dem Deutschen jemals wieder eine Waffe in die Hand geben? Und glauben Sie, daß sich noch welche finden werden, die wieder eine Uniform tragen und an Karten aufzeichnen, wie man Rußland jetzt endlich vernichten könnte?«
    »Es wird bald genug Vertreter von Margarine oder Stampfer oder Versicherungen geben, die mit hundert Hurras die Kleiderkammern stürmen, wenn man sie wieder aufmacht.«
    »Aber warum sollte man uns wieder bewaffnen? Erst vernichtet man uns, und dann gibt man uns die aus der Hand geschlagenen Waffen wieder? Das ist doch keine Logik.« Schütze schüttelte den Kopf. »Finden wir uns damit ab: Der deutsche Soldat ist endgültig besiegt. Was das für mich bedeutet, können Sie ermessen. Aber ich finde mich damit ab … ich gehe in die Industrie –«
    Heinrich Emanuel Schütze fuhr nach Frankfurt und stellte sich vor. Uta, Giselher und seine paar Mark Ersparnisse ermöglichten es ihm. Vorher hatte Anton Schwarz in der Spinnerei einen Lagerraum freibekommen. Einen Schrank, vier Betten, Waschgeschirr und einen elektrischen Ofen sammelte er in der Nachbarschaft. Dann holte Heinrich Emanuel seine Familie aus der Box 12 der Turnhalle heraus. Nur Giselher blieb zurück. Er konnte seine Stellung in der Mehlmühle nicht aufgeben. Er war Vorarbeiter geworden und verdiente manierlich. Zudem brauchte man das Mehl, das Giselher hier und da ›abzweigte‹, zu Kompensationsgeschäften. So konnte man doch einigermaßen leben.
    »Wenn in Frankfurt alles klappt, mein Junge«, sagte Schütze zu ihm, »wirst du auch Medizin studieren.«
    »Jetzt noch, Vater?« Giselher lächelte bitter. »Ich glaube nicht daran.«
    »Abwarten. Wenn erst der deutsche Mannesgeist wieder erweckt ist, gibt es kein Aufhalten mehr auf dem Weg nach oben.«
    Lächelnd schwieg Giselher. Mit solchen Reden hat er uns von Kindesbeinen an dirigiert, dachte er. Wir haben immer zu ihm aufgeschaut, weil wir's glaubten. Und auch heute sollen wir es. Lieber, guter Papa … mit siebenundzwanzig Jahren hat man längst sein eigenes Weltbild. Auch wenn du in uns noch die Kinder siehst …
    Die Firma in Frankfurt war noch ›im Aufbau‹, wie der Kamerad Hauptmann sagte. Die Wäschestampfer waren aus alten deutschen Stahlhelmen hergestellt, die man durchlöchert und mit einem Stiel versehen hatte. Sie waren verzinkt, was ihnen ein freundlicheres Aussehen gab. Schütze war zuerst konsterniert.
    »Unter diesem Helm sind Millionen braver Deutscher

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