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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tat in völliger Verkennung zum Schlachtruf der Revanchisten.
    Durch die Straßen marschierten die Kommunisten. Deutsche schossen auf Deutsche. Sechs Tage nach der Rückkehr Amelias aus der Frauenklinik wurde Christian-Siegbert auf der Straße verprügelt. Er sagte trotz dringlichen Verhörs nicht aus, wer es war. Auch war nie zu erfahren, wer eines Tages an die Tür der Schützes den Zettel geklebt hatte mit dem Spruch:
    Gestern schoß er um die Wette – heut verkauft er Abfallfette!
    Heinrich Emanuel schäumte. Er benachrichtigte die Polizei, er schrie von seinen Rechten als Staatsbürger, er verlangte eingehende Recherchen in der Nachbarschaft. Die Polizei zuckte die Schultern.
    »Ziehen Sie weg«, riet sie Schütze. »Wir können erst etwas tun, wenn wir Anhaltspunkte haben.«
    »Soll ich mich mit meiner Familie erst totschlagen lassen?« brüllte Schütze.
    »Das wäre allerdings ein Grund zum Eingreifen«, belehrte man ihn.
    Aus diesem Zustand der Auflösung befreite ihn ein Schreiben aus Münster. Das Wehrkreiskommando VI teilte mit, daß er sich am kommenden Freitag bei Generalmajor v. Perritz zu melden habe zwecks Übernahme in die Reichswehr.
    »Sie werden als Offizier z.b.V. dem 18. Infanterieregiment zugeteilt«, stand in dem Schreiben. »Sie haben sich beim Chef der 14. Kompanie, Herrn Hauptmann v. Poltach, zu melden. Ihre Garnison ist Detmold. Weiteres erfahren Sie vom Kommandeur des Wehrkreises VI in Münster …«
    Heinrich Emanuel saß wie erstarrt vor dem Brief, als er abends nach Hause kam, nach einem anstrengenden Tag des Margarinegeldkassierens. Es war immer ein unbeliebter Tag, denn selten bekam Heinrich Emanuel beim ersten Besuch auch sein Geld. Selbst Entblößungsszenen wie bei Frau Sülke auf der Thieboldsgasse regten ihn nicht mehr auf. Sie waren mit der Wertlosigkeit des Geldes potentiell angestiegen. Nur überrumpeln ließ er sich nicht mehr. Machte ihm eine Frau im Morgenrock die Tür auf, blieb er auf dem Treppenflur stehen und verlangte lauthals sein Geld. Das half meistens. Die Tür wurde zugeschlagen.
    »Endlich«, sagte Schütze feierlich, als er den Brief Amelia vorgelesen hatte. »Nach Detmold. Freust du dich …?«
    »Detmold soll schön sein …« Amelia spülte das Geschirr.
    »Als Offizier z.b.V.? Ob das bedeutet, daß ich eines Tages in den Generalstab komme?«
    »Sicher –«
    »Das macht mein Buch. Bestimmt macht es mein Buch. Es hat beim Chef des Heeres Aufsehen erregt. Glaubst du das auch?«
    »Ja.« Amelia nickte. Was sollte sie ihm sagen? Onkel Eberhard hatte ihr geschrieben. An sie persönlich. Und sie hatte den Brief sofort über der Gasflamme verbrannt. »Sag deinem Mann«, hatte der Generalmajor geschrieben, »er soll die Taktik denen überlassen, die dafür verantwortlich sind. Wenn sein Buch jetzt erschiene, könnte es Anlaß werden, uns alle zu entwaffnen. Um das zu verhindern, will ich ihn unter meinen Augen haben …«
    Heinrich Emanuel kaufte an diesem Abend eine Flasche Wein für 37 Milliarden. Als die Kinder schliefen, entkorkte er sie, hob dann sein Glas und brachte vor Amelia einen Toast aus.
    »Auf die Rückkehr zum Menschen!« rief er mit glänzenden Augen. »Auf unsere Wiedergeburt! Blicken wir ehern in die Zukunft und erfüllen wir das große Wort Lagardes: ›Es gibt für den Menschen nur eine Schuld: Die, nicht er selbst zu sein!‹ – wir wollen nie mehr in dieser Schuld leben! Hurra!«
    Er trank das Glas in einem Zug, dann eilte er zu Amelia, umarmte sie und drückte sie an sich.
    »Ich bin so glücklich«, stammelte er. »So glücklich. Ich werde wieder eine graue Uniform tragen … Ist das Leben nicht schön, Amelia?«
    »Ja … Es ist schön …«, nickte sie.
    Dann legte sie ihr schmales Gesicht gegen seine Brust und weinte bitterlich.
    Da er glaubte, sie weine vor Glück, streichelte er ihr zärtlich über die Haare …
    *
    Die Ankunft in Detmold war etwas getrübt.
    Generalmajor v. Perritz hatte schon in der ersten Minute des dienstlichen Gespräches mit dem neuen Reichswehrhauptmann Schütze gesagt:
    »Ihre Denkschrift, mein Lieber, bleibt im Tresor. Der Chef des Stabes verbietet die Herausgabe. Sie ist geheim. Verstanden?«
    Schütze erschauerte innerlich. »Jawohl«, sagte er heiser vor Erregung. »Ist sie so gut …?«
    »Sie eilt den Ereignissen voraus«, antwortete v. Perritz ausweichend. »Ich möchte auch keine Diskussion im Kameradenkreis darüber, verstanden?«
    »Zu Befehl!«
    Dann reiste Schütze weiter nach Detmold. Seine

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