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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Reichswehr.‹
    Er hörte nichts wieder von seiner Schrift. Nur eine Eingangsbestätigung bekam er.
    Einmal müssen sie auf mich aufmerksam werden, dachte er. Einmal komme ich in den Generalstab. Dann wird es einem Mann wie Hitler nie möglich sein, auf dem Rücken verblendeter Massen oder Generäle emporzusteigen.
    *
    Im Dezember zog die Familie Schütze von Köln nach Detmold. Sie bekamen eine neuerbaute Wohnung in der Nähe der Kaserne. Die Reichswehr hatte den Bau übernommen, nachdem der Bauherr durch die Inflation nach Fertigstellung des Rohbaues Selbstmord begangen hatte. Man fand ihn eines Morgens am Gebälk des gerichteten Daches hängen, die Taschen voller unbezahlter Rechnungen.
    Ein Winter in Detmold ist immer still. Die schöne, alte Residenzstadt versinkt dann in einen Dornröschenschlaf. Nur das Theater spielt, im Schloß finden Serenadenkonzerte statt. Das ehrbare Bürgertum und die durch Schiebungen emporgekommenen Inflationsgewinner bilden dann das klatschende Publikum. Auf dem zugefrorenen Ringgraben des Schlosses wird Schlittschuh gelaufen. An sonnigen Schneetagen fährt man hinaus zum Hermannsdenkmal, dessen hochgestreckte Schwertspitze weit über den Teutoburger Wald leuchtet.
    Auch Heinrich Emanuel Schütze machte Ausflüge. Er fuhr zum Hermannsdenkmal und zeigte dem schon etwas verständigen Christian-Siegbert den bronzenen Krieger.
    »Das war einer unserer großen germanischen Helden«, erklärte er. »Wenn du einmal größer bist, wird dir der Papa noch viel von ihm erzählen.«
    Der kleine Christian-Siegbert sah verblüfft auf die Riesengestalt und das emporgereckte Schwert.
    »Warum macht er immer so –?« fragte er und streckte auch das Ärmchen hoch in die Luft. Heinrich Emanuel lächelte mild.
    »Er ruft seine Krieger zur Schlacht …«
    »Warum denn, Papa?«
    »Weil er siegen will.«
    »Warum will er siegen, Papa?«
    »Weil er kämpft …«
    »Warum kämpft er, Papa?«
    »Weil man ihm sein Land wegnehmen will …«
    »Warum will man es ihm wegnehmen, Papa?«
    »Weil es böse Menschen sind.«
    »Warum sind es böse Menschen, Papa?«
    »Weil sie – komm, Christian-Siegbert.« Heinrich Emanuel nahm seinen Sohn an der Hand und verließ den Hermannshügel. In dem Café am Fuße des Berges kaufte er Christian-Siegbert ein Hefeteilchen mit Puddingfüllung und eine kleine Nachbildung des Hermann aus Gips, mit Silberbronze bemalt.
    Wenige Tage später beobachtete er zufällig Christian-Siegbert. Der Kleine hatte sich aus Holzlatten ein Schwert genagelt. Mit diesem stand er im elterlichen Schlafzimmer vor dem Spiegel des Kleiderschrankes und streckte das Holzschwert hoch empor.
    Leise verließ Heinrich Emanuel das Zimmer. In der Küche sagte er zu Amelia: »Um den Jungen ist mir nicht bange. Er hat die richtigen Anlagen …«
    Als er an diesem Abend nach Hause kam, empfing ihn das wilde Wehgeschrei seines Sohnes.
    »Die Mama!« schrie Christian-Siegbert. »Die Mama … Sie hat mein Schwert zerbrochen … Überm Knie …«
    Heinrich Emanuel sah strafend zu Amelia. Sie erwiderte seinen Blick standhaft. Kampfbereit. Eine gereizte Löwin.
    Schütze wußte, daß sie wieder das Schlafzimmer abschließen würde, wenn er jetzt etwas sagte. Da schwieg er, setzte sich an den Tisch und aß sein Abendbrot.
    Man muß opfern können, tröstete er sich. Halten wir die Politik aus der Ehe heraus. Frauen denken ja doch nur von einem Kochtopf zum anderen …
    Aber er kaufte Christian-Siegbert ein neues Schwert. Ein richtiges, schönes, silbern bronziert mit einer rot gestrichenen Blutrinne.
    Auch das zerbrach Amelia. Stumm. In ihrer Starrheit anklagend und aufreizend.
    Sieben Schwerter kaufte Heinrich Emanuel … siebenmal zerbrach Amelia sie unter riesigem Geschrei Christian-Siegberts.
    Da gab es Heinrich Emanuel Schütze auf. Der Schwerterkauf belastete zu sehr sein Gehalt. Und das ist schließlich nicht der Sinn der Sache –
    *
    Vier Jahre sind eine lange Zeit, wenn man sie abwarten muß. Wer die Tage oder gar die Stunden zählt, daß sie endlich herumgehen, für den sind viermal dreihundertsechzig Tage eine Ewigkeit. Es ist, als liefen sie durch eine Eieruhr. Endlos.
    Für Hauptmann Schütze waren vier Jahre herumgegangen, ohne daß er es richtig begriff. Viermal feierten sie Silvester im Kasino, und man wunderte sich, daß es schon wieder hieß: Prosit Neujahr!
    »Die Zeit rast«, sagte man philosophisch. »Wo ist sie bloß hin? Nur an den Kindern merkt man es …«
    Christian Siegbert kam zu Ostern 1927

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