Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
wartete draußen vor dem Kreißsaal, bis die Schwester herauskam. Als sie sagte, es sei ein Mädchen, verzog Schütze die Lippen.
    »Daß sie jetzt immer das letzte Wort hat …«, sagte er, ging weg und holte zehn rote Rosen. Für einen Jungen hatte er zwanzig Rosen eingeplant … sie kosteten 246 Milliarden … da er die Hälfte des Geldes übrig hatte, kaufte er sich eine Broschüre ›Die Reichswehr als Traditionsverband‹. Dann ging er zurück zur Frauenklinik, gratulierte Amelia mit einem Kuß auf die noch schweißnasse Stirn, legte die zehn Rosen auf die Bettdecke, besichtigte hinter einer Glasscheibe seine Tochter, ging zurück zu Amelia und sagte bestimmt:
    »Ich werde sie Uta-Sieglinde nennen.«
    »Du mußt es wissen«, sagte Amelia schwach. Sie wollte Ruhe haben. Die Geburt war schwer gewesen … vierzehn Stunden hatte sie in den Wehen gelegen. Neuneinhalb Pfund wog das Kind. (Was wieder die Nährkraft der ›Morgenröte‹-Margarine bewies!)
    Zufrieden verließ Heinrich Emanuel die Frauenklinik. Das letzte Wort hatte er gesprochen. Uta-Sieglinde, das klang nach Walkürenritt und Feuerzauber, nach Heldengesang und minniglicher Treue. In diesem Namen lag Germanenart.
    Er meldete ihn beim Standesamt an, übersah das mokante Lächeln des Beamten und antwortete auf die Frage: »Wie wollen Sie das Kindchen später rufen? Der Name muß unterstrichen werden …«, mit lauter Stimme: »Uta-Sieglinde! Der Name ist eine Einheit!«
    Schäbiger Zivilist, dachte er, als er das Standesamt verließ, wie soll Deutschland jemals auferstehen, wenn man so seine Art verleugnet …
    *
    Auch sonst geschah allerhand.
    Da waren die strengen Untersuchungen, die nach dem Ausfüllen der Bewerbungsbogen an Schütze herankamen. Er mußte sich von einer Reihe Stabsärzte von Kopf bis Fuß abtasten und abhorchen lassen, wurde geröngt, getestet, beobachtet. Er mußte eine Arbeit schreiben, seine Vergangenheit wurde genau untersucht, drei Leumundszeugen wurden gefordert. Der Onkel Generalmajor stellte sich dafür zur Verfügung, als zweiter Leumund bürgte Baron v. Perritz auf Perritzau … nur mit dem dritten Zeugen hatte Heinrich Emanuel Schwierigkeiten.
    Er hatte an Großvater Sulzmann gedacht. Ein Kommerzienrat in der Familie ist immer vortrefflich. Er beweist pekuniäre Sicherheit und weltoffenen Handelsgeist.
    Aber bei Metzger Sulzmann hatte es eine Wandlung gegeben. Wie Tausende andere hatte er in der Inflation sein Vermögen verloren. Er vergiftete sich nicht mit Gas, wie seine Tochter, Schützes Mutter, sondern er raffte mit eiserner Altersstarrheit – er war immerhin in den Achtzigerjahren, was sich in Deutschland bekanntlich als ein besonders agiles Altersjahrzehnt herausstellt – die letzten Milliardenwerte zusammen und begann, zu spekulieren und an der Inflation zu verdienen. Er gründete neue Fleischerfilialen, bezahlte mit Wechseln, die eine Woche später nichts mehr wert waren, versprach Warenlieferungen in einem festen Wert, und lieferte dann nur den Tageswert … kurzum, der alte Sulzmann war mitten im täglichen Leben und kämpfte wie ein weißmähniger Löwe um seinen Lebensabend und um das Erbe seiner Kinder und Enkel.
    Daß ein solcher Spekulant nicht als Leumund eines Offiziers am Platze war, sah Heinrich Emanuel bitter enttäuscht ein, als Baron v. Perritz von den Transaktionen des rüstigen Achtzigers berichtete.
    In letzter Minute fiel Schütze ein neuer Zeuge ein. Er ging zu dem Kinderarzt Dr. Langwehr und bat ihn um Unterstützung. Dr. Langwehr war dazu sofort bereit.
    »Sie haben meine Worte gut verstanden«, sagte er. »Nur eines muß ich Ihnen noch sagen: Seien Sie vorsichtig, Heinrich Emanuel. Die Welt hat sich gedreht. Nicht, daß der Deutsche immer und ewig marschieren wird … er kann ja nicht anders. Er wird mit den Knobelbechern geboren. Wenn die geistige Aufnahmefähigkeit des Säuglings gesteigert werden könnte, wäre es möglich, daß die Säuglinge eines Tages mit ihren Schnullern präsentieren. Nur – nach den geopferten 1,5 Millionen Männern ist das Volk in zwei Teile gespalten. Die einen wollen Frieden, die anderen träumen von neuem Glanz der Uniform. Seien Sie wachsam … schlagen Sie sich auf die Seite, die im Recht ist.«
    »Das wird die Uniform sein«, sagte Schütze steif. Er brauchte keine Belehrungen. Am allerwenigsten von einem solchen Sarkastiker, wie es Dr. Langwehr war. Der Mann dachte undeutsch, das war klar … aber als Bürge war er immerhin brauchbar. Deshalb schwieg

Weitere Kostenlose Bücher