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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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versucht, durch einen Gewaltmarsch die bayerische Regierung zu stürzen. Vor der Feldherrnhalle ist der Putsch unter den Schüssen der Regierungstruppen zusammengebrochen. Es besteht die Gefahr, daß diese Revolutionswelle auch nach Preußen überspült. Wir haben ab sofort Alarm I und Ausgangssperre.« Der Kommandeur schluckte, ehe er weitersprach: »Unter den Revolutionären befand sich auch – unser Ludendorff …«
    »Nein!« rief Heinrich Emanuel entsetzt. »Ludendorff. Wer kann das begreifen! Man sollte annehmen, daß er genau weiß … Vielleicht war es doch eine gute Sache –«
    »Dieser Hitler war Gefreiter –«
    »Ein General unter einem Gefreiten?« Schütze sah hilflos um sich. »Begreifen Sie das, meine Herren?«
    Niemand begriff es. Der Oberstleutnant wischte sich über das Gesicht. Er schwitzte. Es war kalter Schweiß.
    »Wie dem auch sei«, sagte er heiser, »es war eine Revolution. Ludendorff war dabei, ein Hauptmann Göring, der letzte Kommandeur des Richthofengeschwaders …«
    »Es ist unglaublich!« Heinrich Emanuel Schutze sah sich im Kreise um. Er sah ernste, zum Teil verständnislose Gesichter. »Nehmen wir diesen Hitler nicht zu leicht, meine Herren! Wer einen Ludendorff für sich einnehmen konnte, wer einen Kriegshelden des pour le mérite wie Göring begeistert – dieser Mann muß beobachtet werden! Wo kommt dieser Hitler eigentlich her?«
    »Aus Österreich«, sagte einer von den sozialistischen Abordnungen. »Oder aus Böhmen … Er soll früher Landstreicher gewesen sein.«
    »Und heute ein Kampfgefährte Ludendorffs? Der Mann ist ja gefährlich –«
    Der feierliche Abend war zerstört. Jeder eilte nach Hause, die neuesten Meldungen aus dem Radio zu hören. In der Kommandantur liefen die Meldungen bündelweise ein. Das Reichswehrministerium, der Chef der Heeresleitung, der Wehrkreiskommandant … alle gaben Befehle durch. In den Kasernen wurden die scharfen Munitionen ausgegeben. Gegen Quittung. Jeder abgefeuerte scharfe Schuß mußte belegt werden. Warum, und wo, und um welche Zeit. Und mit welcher Wirkung.
    Heinrich Emanuel Schütze schlief in dieser Nacht schlecht. Er ging in seinem Kasernenzimmer unruhig hin und her, besuchte später noch Hauptmann v. Poltach und unterhielt sich mit ihm über diesen Hitler.
    »Ein Eiferer«, sagte v. Poltach und bot Schütze eine Zigarre und einen Kognak an. »Nehmen Sie das doch nicht so wichtig, lieber Schütze. Auch ein Ludendorff kann sich irren. Es war eine Art Panikhandlung des Mannes … sein Deutschland ist am Boden. Können Sie es ihm übelnehmen, daß er auf einen Agitator reinfiel, der ein neues Deutschland versprach?«
    »Aber ein Gefreiter? Ein Landstreicher?«
    »Kriege werten soziale Begriffe ab. Das ist immer so. Vergessen Sie diesen Hitler – das sind Eintagsfliegen in unserer unruhigen Zeit. Der Denkzettel an der Feldherrnhalle war genug.«
    Schütze ging zurück auf sein Zimmer. Er hatte ein ungutes Gefühl. Warum, das wußte er nicht zu sagen. Er schrieb in der Nacht noch an Amelia nach Köln.
    »Liebes – nächsten Monat haben wir unsere neue Wohnung. Weihnachten feiern wir in Detmold. Unser Lebensweg ist jetzt fest. Nur eines macht mir Sorgen. In München hat ein Hitler einen Putsch versucht. Mit unserem Ludendorff an der Spitze. Wenn das Schule macht, wird bald ein Riß durchs Offizierskorps gehen. Das wäre schrecklich für uns alle …«
    In den nächsten Tagen sammelte Schütze Berichte über Hitler. Er ließ sich vom Führungsstab in Berlin Material kommen. Dann hielt er wieder seine Vorträge vor Abiturienten … in Detmold, in Höxter, in Paderborn, in Lüneburg … Er sprach auch über diesen ominösen 9. November 1923 in München, der, je weiter nördlich man in Deutschland kam, immer weniger beachtet wurde. Schütze sah das als einen groben Fehler der Propaganda an. Er hatte sich mit dem Programm der NSDAP auseinandergesetzt. Auf den ersten Blick sah es gut aus. Es versprach ein neues nationales Deutschland. Eine Streichung von Versailles. Sozialen Wohlstand. Neue Blüte der Wirtschaft.
    Aber auf den zweiten Blick war alles nur eine Seifenblase. Vor allem für Heinrich Emanuel. Wie kann ein Gefreiter jemals einen Staat regieren, dachte er. Ein verkrachter Postkartenmaler? Das ist eine Wahnidee.
    Wieder verfaßte Schütze eine Schrift und reichte sie nach Berlin zum Chef der Heeresleitung ein: ›Wie kann Deutschland vor extremistischen Gruppen geschützt werden? – Eine Studie über die stattlichen Aufgaben der

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