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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Manipulationen entzogen worden waren.
    Der neue Reichswehrminister Wilhelm Groener war zwar ein alter General und guter Bekannter Hindenburgs, aber er stand jetzt so entblößt vor der Kritik der Parteien, daß die Reichswehr fast ständig, mindestens bei jeder Reichstagssitzung, angegriffen wurde. Auch der neue Chef der Heeresleitung, General Heye, zog sich wie eine Schnecke in seinen Bau zurück und gab die Parole aus: Sorgt für Beruhigung … aber macht heimlich so weiter. Wir haben die Pflicht, Deutschland vor allem zu schützen, was nicht militärisch denkt. Vor dem Kommunismus selbstverständlich, aber auch vor dem Nationalsozialismus.
    Das letztere war Heinrich Emanuel Schütze neu und unverständlich. Er hatte Hitlers ›Mein Kampf‹ genau gelesen und war zu der Überzeugung gekommen, daß gerade die NSDAP der Garant einer neuen starken Wehrmacht zu werden versprach. Die SA allein bewies es doch … sie war eine Art Privatarmee Hitlers. Nur, daß dieser Hitler nur ein Gefreiter war, berührte Schütze unangenehm. Es war ihm schier unmöglich, zu denken, daß er als Hauptmann einmal dem Befehle eines Gefreiten zu gehorchen habe. Es war absurd, dies zu denken.
    Die Ausbildung, die Schütze nach seiner Genesung in der Kriegsschule aufnahm, die Rede, die er vor den jungen Fähnrichen hielt, zeigte die Linie auf, die die Reichswehr verfolgte. Er verlas den im Januar 1929 von Reichswehrminister Groener erlassenen Tagesbefehl, in dem es hieß: »Es ist die heilige Pflicht der Wehrmacht, zu verhüten, daß sich Klassen- und Parteispaltung jemals zu einem selbstmörderischen Bürgerkrieg verbreitern. In allen Notzeiten in der Geschichte eines Volkes gibt es in der stürmischen See einen unerschütterlichen Fels: den Staatsgedanken. Die Wehrmacht ist sein notwendigster und reinster Ausdruck …«
    Heinrich Emanuel fühlte sich berufen, solch ein Fels zu sein. Er haßte den Kommunismus aus tiefster Seele. Er mußte es, denn jeden Morgen beim Rasieren wurde er an ihn erinnert: Unter seiner Nase hatte er von dem Niederschlag am Bahnhof eine Narbe behalten. Nicht groß, aber sie war sichtbar wie eine leichte Mensur.
    Hauptmann Schütze verbarg sie durch einen schmalen Schnurrbart. Das erinnerte ihn noch mehr an den Kommunismus, bei jedem Griff an die Nase.
    Da es befohlen war, bekämpfte er auch die NSDAP. Er hatte sich eingeprägt, was General Groener einmal im vertrauten Kreis gesagt hatte: »Das schlimmste an den ›Braunhemden‹ ist, daß ihre Grundsätze und Theorien völlig destruktiv sind. Sie möchten das gegenwärtige Staatsgefüge zerstören, haben aber kein konstruktives Programm für das, was sie an seine Stelle setzen wollen, es sei denn eine Art tollwütiger Diktatur. Daher ist die Bewegung, auf die Dauer gesehen, dem Bolschewismus weitaus verwandter als dem Faschismus.«
    Das war hart. Vor allem für Schütze, der aus ›Mein Kampf‹ anderes herausgelesen hatte.
    »Politik, meine Liebe, ist immer eine Auffassungssache«, sagte er zu Amelia. »Man kann Thesen auslegen –«
    Das war ein Trost, der ihn sichtlich stärkte. Er beugte sich der höheren Einsicht seiner oberen Führung und bekämpfte nun auch den Nationalsozialismus mit dem gleichen Eifer wie den Kommunismus. Vor allem bei den jungen Fähnrichen und Leutnants.
    »Für uns gibt es nur einen Gedanken: Unsere Reichswehr und seine Stärke! Man sagt uns, wir hätten den Krieg verloren … Wir werden jetzt den Frieden gewinnen!«
    Beim Gang vom Unterrichtsraum zum Kasino kam Schütze auch am Schwarzen Brett der Kriegsschule vorbei. Es diente wie alle Schwarzen Bretter dazu, daß man den Dienstplan an ihn festheftete, Mitteilungen, Beförderungen, Veranstaltungen, Nachrichten.
    Heinrich Emanuel war schon an der großen Tafel vorbeigegangen, als sein Schritt stockte und er stehenblieb. Es war ihm, als habe er im Vorbeisehen an der Tafel etwas Fremdes gesehen. Etwas Unglaubliches. Er drehte sich herum und starrte die Tafel an. Dort, wo der Dienstplan hängen sollte, war ein Zeitungsblatt mit Heftzwecken angenagelt worden. Ein Zeitungskopf mit Balkenschrift und in der Mitte einen Adler, der in den Krallen ein umrandetes Hakenkreuz hielt. ›Völkischer Beobachter‹ schrie die Schrift.
    Hauptmann Schütze sah sich nach allen Seiten um. Der Flur war leer. Schnell trat er heran und überflog die rot angestrichenen Zeilen. Eine Rede Hitlers. Vom März 1929. Und darin ein Satz: »Die Armee ist nicht mehr verpflichtet, diesem faulen und brüchigen Staat zu

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