Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
Vom Netzwerk:
war, stand ich von meinem Bett auf und ging nach nebenan.
    Wir aßen schweigend auf gegenüberliegenden Tisc h seiten und mit Stirlings leerem Stuhl zwischen uns. Ich starrte unverwandt in meine Gemüsesuppe, während ich sie mir in den Mund löffelte. Ich brach ein großes Stück Brot ab und schob es trotzig hinterher, sodass aus me i nem übervollen Mund das Essen quoll, während aus meinen Augen die Tränen rannen. Ich fühlte mich schu l dig, weil ich so gierig aß, aber ich tat es trotzdem. Ich blinzelte die Tränen weg.
    »Ich glaube, ich habe was vergessen«, murmelte Großmutter. »Die Suppe schmeckt irgendwie nicht ganz richtig.« Es stimmte – sie schmeckte anders als sonst –, aber das war mir egal. »I rg endwas ist anders, oder? Und ich habe die Zwiebeln anbrennen lassen. Es tut mir leid, Leo.«
    Achselzuckend schob ich mir den nächsten Löffel in den Mund.
    »Pater Dunstan kommt vielleicht heute Abend vo r bei«, sagte sie nach einer kurzen Pause. »Er ist wirklich eine große Stütze.« Ich aß weiter. »Er würde gern mit dir reden. Er macht sich Sorgen um dich.« Wieder fielen ihre Worte ins Leere. Ich nahm noch ein Stück Brot, wischte damit meinen Teller aus und schob es mir in den Mund. »Er war mir eine große Hilfe. Ich hoffe, du wirst mit ihm sprechen. Möchtest du noch mehr?« Ich nickte. Das E s sen gab mir etwas zu tun, und ich machte mich mit Fe u ereifer an die Arbeit.
    »Ich habe gestern mit Maria gesprochen.« Großmutter stellte den Suppenteller wieder vor mich hin und gab mir noch ein Stück Brot. Ich fing wieder an zu essen. »Sie hat sich nach dir erkundigt. Sie ist ein sehr nettes Mä d chen. Offenbar ist ihr Baby krank gewesen.« Ich sah nicht auf. »Nichts Ernstes«, fügte Großmutter trotzdem hinzu. »Nur eine Erkältung oder so was in der Art. Sie kam mir ziemlich erschöpft vor – offenbar hat er pause n los geschrien.«
    Wieder legte sich das Schweigen über uns.
    »Also, bist du bis zur Grenze gekommen?«, fragte sie schließlich. »Wie läuft der Krieg?« Ich schüttelte den Kopf. »Du hast die Grenze nicht erreicht?« Noch ein Kopfschütteln. »Warum bist du zurückgekommen?« Ich zuckte die Achseln. Das konnte ich ohne Worte nicht erklären. »Sie haben dich doch nicht zurückgeschickt, weil du irgendetwas angestellt hast?« Ich schüttelte den Kopf. Sie hatten mich nicht zurückgeschickt – das z u mindest stimmte. »Tja, nun …« Sie verfiel wieder in Schweigen.
    Ein paar Minuten später klopfte es an der Tür. Offe n sichtlich erleichtert stand Großmutter auf, um zu öffnen, und die angespannte Atmosphäre zerriss.
    Es war Pater Dunstan. »Hallo, Margaret«, begrüßte er sie. Dann fiel sein Blick auf mich. »Leo. Du bist von der Grenze zurück? Ich hätte nicht erwartet, dich so schnell wiederzusehen.«
    Ich bedachte ihn mit einem knappen Nicken. Da war tiefer Kummer in seiner Stimme. Ich wünschte, er würde nicht vorgeben, traurig zu sein, wenn nicht er derjenige war, der traurig sein sollte. Er war nicht derjenige, dessen Bruder gestorben war. Er hatte Stirling kaum gekannt.
    »Es ist sehr nett von Ihnen vorbeizukommen, Pater«, sagte Großmutter.
    »Das mach ich doch gern.«
    Sie schloss die Tür hinter ihm und deutete zum Sofa. Jetzt bemerkte ich, dass da, wo ich ihn geschlagen hatte, noch immer ein grüner Bluterguss prangte. Das Fenster, das ich eingeschlagen hatte, war mit Brettern vernagelt. Wahrscheinlich hatte er das repariert, genau wie den Tisch.
    »Wie kommen Sie zurecht, Margaret?«, erkundigte er sich, als sie sich ihm gegenüber auf den Stuhl setzte.
    »Ach …« , sagte sie leichthin. »Eigentlich … ganz gut … danke, Pater.«
    »Schön. Das freut mich zu hören.«
    »Jetzt, wo Leo zurück ist, wird alles besser werden.« Sie blickte zu mir und lächelte mich an. Ich drehte mich von ihnen weg.
    Als Pater Dunstan anfing, über die Einzelheiten des Trauergottesdienstes zu sprechen, stand ich auf, um ins Schlafzimmer zu gehen, aber Großmutter sagte: »Leo, ich möchte dich gern mit einbeziehen.« Ich drehte mich zu ihr um. »Wir haben die Inschrift auf Stirlings Gra b kreuz ohne dich ausgesucht, und ich habe deswegen ein schlechtes Gewissen.«
    »Komm, Leo«, bat Pater Dunstan. »Komm und setz dich zu uns.« Widerwillig zog ich einen Stuhl zu ihnen rüber und setzte mich.
    »Also«, begann er. »Ich habe die Andacht für zwölf Uhr am Freitag angesetzt, so wie es üblich ist.« Ich dac h te darüber nach und versuchte herauszufinden, welcher

Weitere Kostenlose Bücher