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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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sein, wenn du eine Chance zum Vo r tanzen bekommen hast.«
    »Reiner Zufall; ich hatte einfach nur Glück.«
    »Ist das wirklich deine Meinung? Du kannst so gut tanzen – du musst jahrelang trainiert haben –, und trot z dem glaubst du, dass alles nur Zufall ist?«
    Anna schüttelte den Kopf. Sie hatte gerade an den Tag zurückgedacht, als sie fünf Jahre alt gewesen war und ihre Großmutter mit ihr zum Greysands Beach gefahren war. Sie waren meilenweit über den Sand gelaufen und hatten dabei Emilies Lederhandtasche mit Muscheln und Steinen gefüllt. Dann war das Sonnenlicht schwächer geworden, und ihre Großmutter hatte gesagt: »Zeit, nach Hause zu fahren, mein Engel.«
    Anna wollte noch eine allerletzte Muschel finden, und dann noch eine. Emilie hatte jedes Mal lachend zug e stimmt. Endlich hatte Anna entschieden, dass es nun g e nug wären. Sie hatten sich umgedreht und waren Hand in Hand zum Auto zurückgegangen. Es war spät geworden, und sie gerieten in dichten Verkehr. Wenn Anna eine Muschel weniger oder eine mehr gesammelt hätte, wäre das, was als Nächstes geschah, niemals passiert.
    »Alles ist reine Glückssache«, wiederholte sie. »Ob man nun ein Tänzer wird oder nicht – alles hängt vom Zufall ab.«
    »Wie hast du dann die Chance bekommen, für die Tanzakademie vorzutanzen?« Er grinste.
    Doch sie antwortete ganz ernsthaft. »Der Direktor der Clara Nichols Akademie der Darstellenden Künste war zusammen mit meinem Tanzlehrer auf Tournee in Rus s land. Es ist ein persönlicher Gefallen von ihm. Vor ein paar Wochen wurde in allerletzter Minute ein Stipend i umsplatz frei, und mein Lehrer fragte, ob ich dafür vo r tanzen könnte, bevor sie ihn an einen der Bewerber ve r geben, die bei dem Casting im Frühling nur knapp g e scheitert sind.«
    Ryan lachte, und sie lächelte zurück, wenn auch za g haft. Dann drehte sie sich wieder zu dem Wassertopf um und sah zu, wie die Bläschen aufstiegen.
    »Das ist es wohl, was euch Engländer ausmacht«, sa g te Ryan. »Ihr habt eure Träume. Und das ist eine gute S a che. Eines Tages wirst du Berufstänzerin sein, das weiß ich.«
    »Monica hat mir gestern einen Job angeboten. Sobald ich mit der Schule fertig bin. Was hältst du davon?«
    Ryan sprang auf, und sie drehte sich um. »Du solltest auf die Tanzakademie gehen. Wenn es das ist, was du machen willst, dann darfst du nicht aufgeben. Wenn du mich fragst, solltest du noch nicht einmal hier sein, um ihr zu helfen, wenn du eigentlich für das Vortanzen tra i nieren müsstest. Lass deine Familie sich selbst um ihre Angelegenheiten kümmern.«
    »Ich musste herkommen«, widersprach Anna. »Mon i ca könnte kein Geschäft wie dieses hier ohne die Hilfe der Familie führen. Du kannst tun, was immer dir gefällt, Ryan – du musst nicht für deinen Lebensunterhalt arbe i ten.«
    Für einen Moment erwiderte er nichts. Stattdessen setzte er sich wieder an den Tisch. Sie schenkte den Tee ein und stellte eine Tasse vor ihn hin. »Wenn ich ein en g lischer Junge gewesen wäre, hätte ich Künstler werden wollen«, sagte er schließlich. »Aber meine Ziele unte r liegen nicht meiner Kontrolle.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nichts. Es heißt nichts. Es heißt, dass ich weiß, wie entsche id end der Glücksfaktor ist – natürlich weiß ich das. Wenn ich als jemand anderer geboren worden wäre, hätte ich tun können, was immer ich wollte. Das ist der Grund, warum ich finde, dass du das Tanzen nicht aufg e ben darfst. Wie hart auch immer du vielleicht kämpfen musst, du hast deine Zukunft trotzdem weit mehr in der Hand als ich meine.«
    Ihr fiel nichts ein, was sie darauf hätte sagen können. »Du wolltest Künstler werden?«, fragte sie also.
    »Na ja, als kleiner Junge habe ich pausenlos gezeic h net. Ich werde irgendwann mal ein Bild für dich machen, dann kannst du selbst urteilen, ob aus mir einer geworden wäre.«
    »Einverstanden.« Ihre Mundwinkel hoben sich, aber das Lächeln verblasste schnell.
    Schweigend tranken sie Tee. Über ihnen trampelten ein paar Kinder so wild über den Korridor, dass die D e cke knarzte.
    »Du wirkst heute traurig, Anna«, wagte Ryan schlie ß lich den Vorstoß.
    Die Art, wie er es gesagt hatte, ließ sie zu ihm hochs e hen. So als ob er sie gut kennen und sich um sie sorgen würde. »Nein. Eigentlich nicht.«
    Angestachelt von einer Windbö prasselte der Regen nun noch heftiger gegen die Fensterscheibe. Ryan sah hinüber. »Ist das deine Familie?« Er stand auf, um sich die

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