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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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Gräber der königlichen Familie, die circa vierhundert Jahre zurückreichten, s o wie jede Menge freie Grasfläche, die man für die ko m menden Generationen aufgehoben hatte. Es muss eige n artig gewesen sein, damals ein junger Prinz oder eine Prinzessin zu sein und hierherzukommen, um ein oder zwei Schritte entfernt die Stelle zu sehen, wo man i r gendwann liegen würde, bis man zu Staub zerfallen war.
    »Ich kann mich nicht erinnern, wo das Grab ist«, sagte Stirling. »Es hat sich alles verändert.«
    »Ich weiß, dass es in diese Richtung war.« Ich gestik u lierte zwischen den Grabsteinen herum. Dann sah ich den gleich neben mir genauer an. »Ein ganzes Stück weiter rein. Diese hier sind kaum älter als ein Jahr.«
    »Ich glaube, es war hier entlang«, sagte Stirling und deutete mit dem Finger.
    »Hier, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Sieh dir mal die Daten an.«
    »Ich kann sie nicht lesen.«
    »Das hab ich vergessen. Wir werden es finden – es muss jetzt ganz in der Nähe sein.« Wir waren etwa fün f zehn Ringe weit auf die Mitte zugegangen. »Es ist ganz sicher in diesem Ring«, sagte ich zu Stirling. »Irgendwo hier.« Er kam zu mir herüber, und wir überprüften g e meinsam die Grabsteine. Es war wie eine makabre Art von Schatzsuche, und es bereitete uns ein eigenartiges Vergnügen.
    »Ist es das hier?« Er zeigte auf einen Grabstein.
    Ich sah hin. »Ja, ich glaube schon.«
    »A-L-D …« , buchstabierte er. Ich ließ ihn. »A-L-D-E-B-A-R-A-N. Hier steht Aldebaran. Es ist sein Grab.«
     
    Es war ein ganz gewöhnliches, mit senffarbenen Flechten über sprenkeltes Kreuz, das nur seinen Namen, sein G e burts- und sein Sterbedatum nannte.
    »Was steht da, wie alt er wurde?«, fragte Stirling.
    Ich rechnete es aus. »Sechzig.«
    »Jünger als Großmutter jetzt ist. Wie alt ist er dann jetzt?«
    »Er wäre siebzig.«
    »Wäre? Wenn er noch leben würde, meinst du?« Er sah mich ganz ruhig an. »Ich glaube immer noch, dass er das tut.«
    »Möglich.« Ich zuckte mit den Achseln.
    Stirling fing an, auf dem Grab herumzustampfen. »Was machst du da?«
    »Ich teste, ob ich das Echo von einem Sarg hören kann.«
    »Wie willst du wissen, ob Särge ein Echo abgeben? Außerdem muss er inzwischen verrottet sein.«
    »Oh.« Er hörte auf zu stampfen.
    Jetzt, da wir hier waren, kam es mir plötzlich idiotisch vor. Wie sollten wir, indem wir das Grab ansahen oder darauf herumtrampelten, jemals herausfinden, ob es echt war? Es würde auch nichts nützen, den Sarg auszugr a ben. Wenn Menschen lügen wollen, dann können sie das tun, und man wird nie mit Sicherheit wissen, ob sie die Wahrheit sagen oder nicht.
    »Weißt du was?« Stirling ließ den Blick über den Friedhof schweifen.
    »Nein, was?«, fragte ich.
    »Ihre Köpfe sind weit auseinander, aber ihre Füße b e rühren sich fast.«
    »Wen meinst du?«
    »Die Leichen in den Gräbern. Das ist das Problem, wenn man sie zu einem Kreis anordnet.«
    »Stirling! Wie kommst du nur auf so was? Ich muss einen schlechten Einfluss auf dich haben!«
    »Du hörst dich an wie Großmutter!«, sagte er.
    Ich lachte, verstummte aber sofort wieder. Es war, als würde man in einer Kirche lachen. Selbst wenn man ganz allein ist, sagen einem die Geister in der Luft, dass man es nicht tun sollte.
    »Ich meine das nicht respektlos«, erklärte er. »Und außerdem sind sie nicht wirklich hier.«
    Eine starke Windbö fuhr zwischen die Äste der Bä u me. Ohne dass es uns aufgefallen war, hatte die Sonne ihre Wärme verloren, und ihr Licht erzeugte nun lange Scha t ten hinter den Grabsteinen. Die dunklen Engel auf den königlichen Gräbern zuckten.
    »Komm«, sagte ich fröstelnd. »Lass uns heimgehen.«
    »Hast du Angst?«
    »Nein, mir ist nur kalt. Jetzt komm schon, wir sollten längst zu Hause sein.«
    Er folgte mir zwischen den Grabsteinen hindurch. Aber noch bevor wir den Torbogen erreichten, tauchte von der anderen Seite eine düstere, verhüllte Gestalt auf.
    Es war ein Priester. Hinter ihm gingen vier Männer, die einen kleinen Sarg trugen – einen Kindersarg. Gleich dahinter folgte ein junges Paar und eine kleine Gruppe Familienangehöriger. Der Mann trug die Uniform eines Soldaten. Beide weinten und versuchten nicht, es zu ve r bergen. Es hätten keine Fremden hier sein sollen, die ihre Trauer sahen.
    Ich blieb stehen und fühlte mich schuldig, weil mein Lachen noch immer in der Luft zu verklingen schien. Die Trauernden gingen an uns vorbei und versammelten sich um das

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