Mansfield Park
im Lauf des Abends, daß nach der Zusammenstellung der unvermeidlichen Whistpartie noch genug Teilnehmer für ein lustiges Gesellschaftsspiel übrigblieben. Da alle, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich ist, von vornherein mit allem einverstanden waren, einigte man sich fast gleichzeitig mit dem Whist auf «Spekulation». Lady Bertram sah sich unversehens in der kritischen Lage, zwischen zwei Spielen wählen zu müssen. Sollte sie eine Karte zum Whist ziehen oder nicht? Sie zögerte unschlüssig. Zum Glück war Sir Thomas bei der Hand.
«Was soll ich spielen, Sir Thomas? Whist oder Spekulation? Was wird mich mehr amüsieren?»
Nach kurzem Nachdenken empfahl ihr Sir Thomas, es mit Spekulation zu versuchen. Er selbst war ein großer Whistspieler, und vielleicht dachte er, es würde ihn nicht sehr amüsieren, sie zur Partnerin zu haben.
«Gut, gut», erwiderte Lady Bertram zufrieden.
«Dann bitte Spekulation, Mrs. Grant. Ich habe keine Ahnung, wie es geht, aber Fanny wird es mir beibringen.»
Dagegen protestierte Fanny unter schüchternen Beteuerungen ihrer eigenen Unwissenheit. Sie hatte niemals Spekulation gespielt oder es nur spielen gesehen. Lady Bertram wurde beinahe wieder unschlüssig – aber da alle ihr versicherten, nichts könne leichter sein, es sei das leichteste von allen Kartenspielen; und da Henry Crawford eifrig um die Gunst bat, zwischen ihrer Ladyship und Miss Price zu sitzen und beide zu unterrichten, blieb es dabei. Während also Sir Thomas, Mrs. Norris und das Ehepaar Grant sich an dem Tisch niederließen, der die höchste Stufe von Geist und Würde verkörpert, gruppierten sich die sechs anderen unter Miss Crawfords Leitung um den großen runden Tisch. Es war ein ausgezeichnetes Arrangement für Henry Crawford, der dicht neben Fanny saß und alle Hände voll zu tun hatte, da er außer seinen eigenen Karten noch die seiner beiden Nachbarinnen verwalten mußte. Denn obwohl Fanny, wie es nicht anders sein konnte, nach drei Minuten die Spielregeln beherrschte, oblag es ihm doch, ihren Wagemut anzufeuern, ihre Habgier zu erwecken und ihr Herz zu verhärten – gar kein leichtes Stück Arbeit, besonders wenn sie in direkten Wettbewerb mit William trat. Was Lady Bertram betraf, blieb er den ganzen Abend lang für ihren Ruhm und ihr Vermögen verantwortlich; schon beim Austeilen mußte er sie daran hindern, ihre Karten anzusehen, und dann bis zum Schluß der Partie jeden einzelnen Zug für sie tun.
Er war in sprühender Laune und entfaltete seinen ganzen Charme. Niemand tat es ihm gleich an lustigen Einfällen, an der Schlagfertigkeit und der scherzhaften Frechheit, die den Reiz des Spieles ausmachen, und der runde Tisch bildete einen fröhlichen Gegensatz zur nüchternen Gesetztheit und schweigsamen Disziplin des anderen.
Bereits zweimal hatte sich Sir Thomas nach dem Amüsement und den Erfolgen seiner Frau erkundigt, ohne Antwort zu erhalten, denn keine Pause im Spiel war lang genug für seine gemessene Redeweise. Erst nach Beendigung des ersten Rubbers fand Mrs. Grant Gelegenheit, zu Lady Bertram hinüberzugehen, um ihr die gebührende Höflichkeit zu erweisen.
«Ich hoffe, Sie unterhalten sich gut, Lady Bertram.»
«O ja! Es ist wirklich sehr lustig. Ein furchtbar komisches Spiel. Ich weiß gar nicht, um was es geht. Meine Karten darf ich nicht ansehen, und alles andere besorgt Mr. Crawford.»
«Bertram», sagte Crawford kurz darauf, als das Spiel ihm eine kleine Atempause gönnte, «ich habe Ihnen ja noch gar nicht erzählt, was ich gestern auf dem Heimritt erlebt habe.» Sie hatten gemeinsam gejagt und waren, in einiger Entfernung von Mansfield, gerade im besten Zuge, als Henry Crawford entdeckte, daß sein Pferd ein Hufeisen verloren hatte, so daß ihm nichts anderes übrigblieb, als aufzugeben und heimzureiten. «Daß ich mich gleich nach dem alten Bauernhaus mit den zwei Eiben verirrte, weil ich es niemals über mich bringe, nach dem Weg zu fragen, habe ich Ihnen schon berichtet. Aber mit meinem üblichen Glück – denn ich mache nie einen Fehler, ohne daß es mir Nutzen bringt – kam ich auf diese Weise just in den Ort, den ich schon so lange kennenlernen wollte. Also, wie ich um den Hang eines steilen Brachfelds biege, befinde ich mich plötzlich mitten in einem stillen Dörfchen, das ganz versteckt zwischen sanften Hügeln liegt: vor mir ein Bächlein, das ich durchreite, rechts auf einer kleinen Anhöhe eine Kirche, die mir für einen solchen Ort auffallend groß und stattlich vorkommt
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