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Mansfield Park

Mansfield Park

Titel: Mansfield Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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ist, die diese kostbaren Überbleibsel der allerfrühesten Empfindungen gänzlich zu verdrängen vermöchte. Ach, leider geschieht dies nur allzu oft! Geschwisterliebe, die alles sein kann, bedeutet manchmal weniger als nichts. Doch zwischen William und Fanny bestand dieses Gefühl noch in seiner ganzen Jugendfrische, durch keinerlei widrige Einflüsse verletzt, durch keine anderweitige Neigung beeinträchtigt; Zeit und Entfernung hatten es nur zu stärken vermocht.
Ein so liebenswürdiges Verhältnis mußte beide Geschwister in der Meinung jedes Menschen erhöhen, der überhaupt Sinn für das Gute hatte, und es machte sogar auf Henry Crawford Eindruck. Er ehrte die warmherzige, etwas derbe Zärtlichkeit des jungen Seemanns, wenn dieser etwa auf Fannys Frisur zeigte und geradeheraus sagte: «Wißt ihr, jetzt beginnt mir diese komische Mode schon zu gefallen. Wie ich zuerst hörte, was man jetzt in England treibt, wollte ich es nicht glauben, und als beim Kommissär von Gibraltar Mrs. Brown und die anderen Damen in diesem Kopfputz auftraten, dachte ich, sie seien verrückt geworden. Aber Fanny kann mich mit allem versöhnen!» Und er sah mit lebhafter Bewunderung, wie Fannys Wangen glühten, wie ihre Augen leuchteten, wenn sie völlig versunken und hingegeben den Erzählungen ihres Bruders von mancher drohenden Gefahr und mancher schrecklichen Szene aus seiner langen Seemannszeit lauschte.
Henry Crawford besaß genug sittlichen Geschmack, um dieses Bild gebührend zu schätzen. Fannys Reiz erhöhte sich, erhöhte sich zweifach, denn die feine Empfindsamkeit, die ihrem Gesicht Farbe und Leben verlieh, war an sich ebenfalls ein neuer Reiz. Er zweifelte jetzt nicht mehr daran, daß sie der Leidenschaft fähig war. Sie besaß Gefühl, echtes Gefühl. Es mußte etwas heißen, von einem solchen Mädchen geliebt zu werden, die ersten Flammen in ihrem jungen, reinen Gemüt anzufachen! Sie interessierte ihn mehr, als er selbst gedacht hatte. Vierzehn Tage genügten nicht mehr. Sein Aufenthalt wurde auf unbestimmte Zeit verlängert.
William wurde von seinem Onkel häufig zum Erzählen aufgefordert. Seine Berichte waren für Sir Thomas an und für sich unterhaltend, aber es lag ihm vor allem daran, sich ein Bild über den Berichterstatter zu machen und den jungen Menschen aus seinen Geschichten kennenzulernen; und er lauschte mit großer Befriedigung seinen klaren, einfachen, lebhaften Schilderungen und fand darin immer neue Beweise für Williams richtige Grundsätze, seine berufliche Tüchtigkeit und Energie, seinen Mut und Frohsinn – lauter schätzenswerte, vielversprechende Eigenschaften. So jung er war, hatte William schon eine Menge gesehen und erlebt. Er war im Mittelmeer, in Westindien und wieder im Mittelmeer gewesen, er war, da er die Gunst seines Kapitäns genoß, oft an Land gekommen und hatte im Lauf von sieben Jahren jede Art Gefahr kennengelernt, die Seefahrt und Krieg vereint mit sich bringen. Was er zu erzählen hatte, verdiente, gehört zu werden; und wenn auch Mrs. Norris imstande war, wegen einer Nadellänge Zwirn oder eines alten Hemdknopfs mitten in der atemberaubenden Schilderung eines Schiffbruchs oder Nahkampfes im Zimmer herumzufahren und jedermann zu stören, so lauschten doch alle anderen mit gebannter Aufmerksamkeit. Sogar Lady Bertram konnte nicht ungerührt von solchen Greueln vernehmen, ohne manchmal den Blick von ihrer Arbeit zu erheben und zu murmeln: «Ach du meine Güte! Wie unangenehm! Ich wundere mich, daß überhaupt ein Mensch zur See geht.»
In Henry Crawford erweckten diese Erzählungen andere Gefühle. Er bedauerte, nicht selbst zur See gewesen zu sein und dies alles gesehen und getan und erlebt zu haben. Es wurde ihm warm ums Herz, seine Phantasie war beflügelt, und er empfand den größten Respekt für diesen Jungen, der, noch ehe er zwanzig Jahre alt war, soviel Drangsal ausgestanden und solche Mutproben abgelegt hatte. Dieser Glanz von Heldentum, nützlicher Tätigkeit, Tatkraft und Ausdauer stand in beschämendem Gegensatz zu dem selbstsüchtigen, zügellosen Leben, dem er sich hingab, und er wäre in diesem Augenblick lieber ein Mensch wie William Price gewesen, der sich in seinem Beruf auszeichnete und mit soviel Selbstvertrauen und fröhlicher Zuversicht selber seinen Weg zu Reichtum und Ansehen bahnte.
Der Wunsch war aufrichtig, aber nicht von Bestand. Eine Frage Edmunds, der sich nach seinen morgigen Jagdplänen erkundigte, riß Crawford aus der Träumerei, in der er

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