Mansfield Park
nachdenkst, lieber ein kleines Opfer bringen als eine Freundin kränken, die sich solche Mühe gegeben hat, dir eine Freude zu machen! Miss Crawford benimmt sich stets so aufmerksam gegen dich – nicht, daß du es nicht im höchsten Maß verdientest, ich bin der letzte, der finden könnte, daß es eine Aufmerksamkeit gibt, die du nicht verdienst – aber sie benimmt sich doch wirklich reizend zu dir. Und ihrer Freundlichkeit auch nur mit einem Anschein von Undank zu begegnen – wenn ich auch weiß, daß du es nicht so meinst – das liegt nicht in deiner Natur, dazu kenne ich dich zu gut. Trag morgen das Halsband, wie du es ihr versprochen hast, und laß die Kette, die ich gar nicht im Zusammenhang mit dem Ball bestellt hatte, für alltäglichere Zwecke. Das ist mein Rat. – Fanny, ich möchte nicht den Schatten einer Trübung zwischen euch beiden sehen. Ich habe mit der größten Freude beobachtet, wie ihr euch nähergekommen seid. Ihr ähnelt einander so sehr an echter Großherzigkeit und natürlicher Feinfühligkeit, daß die paar kleinen Verschiedenheiten, die hauptsächlich auf die äußere Situation zurückzuführen sind, kein Hindernis für eine vollkommene Freundschaft bilden können. – Ich möchte nicht den Schatten einer Trübung zwischen den beiden Wesen sehen», fuhr er mit gedämpfter Stimme fort, «die mir die liebsten der Welt sind.»
Damit ging er, und Fanny blieb zurück, um sich, so gut es ging, zu fassen und zu beruhigen. Sie war das eine seiner beiden liebsten Wesen – das mußte sie aufrecht halten. Aber die andere! Die Erste! Er hatte noch niemals so offen zu ihr gesprochen, und obwohl er nichts gesagt hatte, was sie nicht schon längst wußte, empfand sie seine Worte wie einen Dolchstoß – denn sie offenbarten ihr seinen Entschluß. Er hatte sich entschieden, er würde Mary Crawford heiraten. Ja, es war ein Stoß mitten ins Herz, obwohl sie es längst erwartet hatte. Sie mußte sich immer aufs neue wiederholen, daß sie eines seiner beiden liebsten Wesen sei, bevor die Worte einen Sinn annahmen. Hätte sie glauben dürfen, daß Mary Crawford seiner würdig sei, dann – ach, wie anders wäre dann alles! Wieviel leichter zu tragen! Aber er täuschte sich in ihr, er dichtete ihr Eigenschaften an, die sie gar nicht besaß. Ihre Fehler waren die gleichen wie früher, er merkte sie nur nicht mehr … Fanny vergoß viele Tränen, bis sich der Aufruhr ihrer Seele allmählich legte, und dann verfiel sie in eine tiefe Niedergeschlagenheit, die nur im inbrünstigen Gebet für Edmunds Glück etwas Erleichterung fand.
Fanny kannte ihre Pflicht. Sie mußte jetzt danach trachten, alles Übermaß, alles was an Selbstsucht grenzte, aus ihrer Zuneigung zu Edmund zu verbannen. Den Verlust eine Enttäuschung zu nennen – sich einzubilden, daß es jemals hätte anders kommen können – das wäre eine Anmaßung gewesen, für die sie in ihrer Demut kein Wort stark genug fand. An ihn zu denken, wie Miss Crawford es mit aller Berechtigung tun durfte – von ihrer Seite wäre es Wahnsinn. Ihr konnte er unter keinen Umständen mehr sein als ein Freund. Wie konnte ihr überhaupt der Gedanke an eine andere Möglichkeit kommen – wenn auch nur, um verworfen und verpönt zu werden? Keine Spur davon hätte ihr Gemüt trüben dürfen … Doch jetzt würde sie sich bestreben, vernünftig zu sein, und sich das Recht, über Miss Crawfords Charakter zu urteilen, und das Vorrecht, um Edmunds Glück besorgt zu sein, durch einen klaren Kopf und ein redliches Herz verdienen.
Sie besaß heldenhafte Grundsätze und war fest entschlossen, ihre Pflicht zu tun. Doch da Natur und Jugend ihr auch gewisse Gefühle verliehen hatten, wollen wir uns nicht wundern, daß sie trotz allen diesen guten Vorsätzen, ihre Neigung zu bezwingen, den Zettel, auf dem Edmund ihr zu schreiben begonnen hatte, an sich nahm wie einen nie erhofften Schatz – und nachdem sie mit der zärtlichsten Ergriffenheit gelesen hatte: «Meine liebe, kleine Fanny, Du mußt mir die Freude machen und diese Kleinigkeit …» schloß sie das Blatt zusammen mit der Kette als den kostbarsten Teil des Geschenkes ein. Sie hatte niemals etwas von Edmund erhalten, was einem Brief näherkam, und würde vielleicht niemals einen anderen bekommen – ganz bestimmt aber keinen, der sie, was Inhalt und Stil betraf, höher beglücken könnte. Auch der Feder des berühmtesten Dichters sind niemals zwei Zeilen entquollen, die größere Begeisterung erregt, die den eifrigsten
Weitere Kostenlose Bücher