Mansfield Park
abweisen?»
«Ja, Onkel.»
«Einen Mann wie Mr. Crawford! Aber unter welchem Vorwand? Aus welchem Grund?»
«Ich – ich kann ihn nicht liebhaben, Onkel – nicht lieb genug, um ihn zu heiraten …»
«Das ist sehr sonderbar», sagte Sir Thomas mit eisigem Mißfallen. «Da ist etwas, was mein Begriffsvermögen übersteigt. Du bekommst einen ehrenvollen Antrag von einem jungen Mann, der alles besitzt, was für ihn spricht: nicht nur Rang, Vermögen und Ansehen, sondern darüber hinaus ein mehr als angenehmes Wesen, eine Persönlichkeit, die ihm die allgemeine Sympathie erringt. Und du kennst ihn nicht erst seit gestern, sondern schon geraume Zeit. Überdies ist seine Schwester deine intime Freundin, und er hat für deinen Bruder soviel getan, daß dies allein genügen müßte, ihn dir zu empfehlen, auch wenn er seine sonstigen guten Eigenschaften nicht besäße. Es ist sehr ungewiß, ob ich je imstande gewesen wäre, William zu helfen. Er hat es bereits getan.»
«Ja …» flüsterte Fanny mit schwacher Stimme, von neuer Scham überwältigt. Nach dem Bild, das ihr Onkel von ihm gezeichnet hatte, hielt sie es beinahe selbst für schändlich, daß sie Mr. Crawford nicht liebte.
«Es kann dir nicht entgangen sein», fuhr Sir Thomas fort, «daß Mr. Crawford dich schon seit einiger Zeit auszeichnet. Sein Antrag kann dir nicht überraschend kommen. Du mußt seine Aufmerksamkeiten bemerkt haben. Und obwohl du sie immer mit geziemender Zurückhaltung aufgenommen hast (in diesem Punkt habe ich dir keinen Vorwurf zu machen), hatte ich nie den Eindruck, daß sie dir mißliebig wären. Fanny, ich glaube beinahe, du bist dir über deine eigenen Gefühle nicht klar.»
«O doch, Onkel! Wirklich! Seine Aufmerksamkeiten waren mir immer – sehr unangenehm.»
Sir Thomas sah sie mit noch größerer Verblüffung an. «Das geht über meinen Verstand», sagte er. «Das bedarf einer Erklärung. Bei deiner Jugend – und da du kaum jemanden kennst – scheint es kaum möglich, daß du deine Zuneigung schon …»
Er hielt inne und blickte sie scharf an. Er sah, daß ihre Lippen sich zu einem «Nein» formten, obwohl das Wort unhörbar blieb, aber ihr Gesicht war wie mit Scharlach übergossen. Doch das konnte bei einem so schüchternen Mädchen gerade für ihre Unschuld sprechen; Sir Thomas zog es jedenfalls vor, wenigstens überzeugt zu scheinen, und fuhr rasch fort: «Nein, nein, ich weiß, daß das nicht der Fall ist – ganz ausgeschlossen. Nun, dann ist wohl nichts mehr zu sagen.»
Ein paar Minuten lang sagte er wirklich nichts mehr; er war tief in Gedanken versunken. Auch seine Nichte verlor sich in Nachdenken, um sich gegen weitere Fragen zu wappnen. Sie wäre lieber gestorben, als die Wahrheit zu gestehen, und hoffte, sich durch etwas Besinnung so weit zu stählen, daß sie sich nicht verriete.
«Ganz abgesehen von der Wahl, die Mister Crawford getroffen hat», begann Sir Thomas mit großer Ruhe von neuem, «findet schon sein Entschluß, in so jungen Jahren zu heiraten, meinen Beifall. Ich bin sehr dafür, daß junge Menschen früh heiraten, sofern angemessene Mittel vorhanden sind, und meiner Ansicht nach sollte jeder Mann, der über ein ausreichendes Einkommen verfügt, möglichst mit vier-oder fünfundzwanzig Jahren schon seine Wahl getroffen haben. Darum sehe ich auch mit Bedauern, daß mein eigener ältester Sohn, dein Cousin Thomas, schwerlich bald heiraten wird; soweit ich es beurteilen kann, scheint er vorderhand noch nicht an die Ehe zu denken. Ich wollte, ich täuschte mich in dieser Beziehung.» Hier warf er einen Blick auf Fanny und fuhr fort: «Edmund hingegen scheint mir seiner ganzen Einstellung nach weit eher zu einer frühen Heirat geneigt als sein Bruder. Seit einiger Zeit glaube ich sogar, daß er bereits die Frau gefunden hat, der er seine Liebe schenken könnte, was bei meinem älteren Sohn sicherlich noch nicht der Fall ist. Habe ich recht? Bist du auch dieser Meinung, liebes Kind?»
«Ja, Onkel.»
Sie sagte es leise, aber scheinbar gleichmütig, und Sir Thomas war jetzt bezüglich ihrer Cousins beruhigt. Doch das Schwinden seines Verdachts nützte seiner Nichte wenig. Es bestärkte ihn nur noch in seinem Ärger über ihre unbegreifliche Störrigkeit. Er sprang auf und begann gereizt im Zimmer auf und ab zu gehen. Fanny wagte nicht, den Blick zu erheben, aber sie stellte sich lebhaft seine zornig gerunzelte Stirn vor. Plötzlich blieb er vor ihr stehen und fragte in strengem Ton: «Glaubst du vielleicht, daß
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