Mansfield Park
kämpften zwei Gefühle in ihrer Brust: der Stolz, sich tätig und nützlich zu zeigen, und die Angst, daß Fanny sie wegen dieser niedrigen Tätigkeit verachten könnte. Sie sei in die Küche gegangen, erklärte sie, um Sally anzutreiben und ihr beim Toastmachen und Brotstreichen zu helfen – sonst hätten sie, wer weiß wie lange, noch keinen Tee bekommen – und Fanny brauche doch sicherlich nach der langen Reise eine Erfrischung.
Fanny war ihr innig dankbar. Sie mußte gestehen, daß sie sich sehr nach einem Schluck Tee sehnte, und Susan machte sich unverzüglich daran, ihn zu bereiten, offenbar sehr erfreut, daß sie alles allein organisieren durfte; und mit nur ganz wenig überflüssigem Getue und bloß ein paar unbedachten Versuchen, ihre Brüder mit mehr Autorität, als sie besaß, zur Ordnung zu rufen, machte sie ihre Sache wirklich sehr gut. Fanny fühlte sich seelisch wie körperlich erfrischt, ihre Kopfschmerzen und ihre Niedergeschlagenheit besserten sich zusehends. Susan hatte ein offenes, verständiges Gesicht. Sie ähnelte William – und Fanny hoffte, sie auch in ihrem Wesen und in ihrer freundlichen Einstellung dem Bruder ähnlich zu finden.
Nachdem die Lage sich soweit beruhigt hatte, trat nun auch William, gefolgt von seiner Mutter und Betsey, ein. In seiner neuen Leutnantsuniform, in der er größer, männlicher und hübscher aussah, marschierte er mit glückstrahlendem Lächeln geradewegs auf Fanny zu, die von ihrem Stuhl aufsprang, ihn einen Augenblick lang in sprachloser Bewunderung anstarrte und ihm dann um den Hals fiel, um ihre mannigfaltigen freudigen und schmerzlichen Gefühle aus sich herauszuschluchzen.
Doch ängstlich bestrebt, nicht unglücklich zu erscheinen, faßte sie sich bald, trocknete ihre Tränen und war imstande, die Pracht seiner Uniform in allen Einzelheiten zu betrachten und zu bestaunen, während sie mit neubelebtem Gemüt seinen optimistischen Plänen lauschte: er hoffte, bis zu seiner Abreise noch täglich viele Stunden an Land zu verbringen und sie sogar zur Reede hinauszubringen, um ihr sein Schiff zu zeigen.
Neue Unruhe entstand durch den Eintritt von Mr. Campbell; er war der Wundarzt der «Thrush», ein sehr wohlerzogener junger Mann, der seinen Freund abholen kam. Mit einiger Findigkeit wurde ein Stuhl für ihn aufgetrieben, und Susan spülte hastig eine Tasse samt Untertasse aus, um den Gast zu laben. Nach einer weiteren Viertelstunde ernsthaften Männergesprächs geriet alles wieder in lärmende Bewegung und Betriebsamkeit, Männer und Jungen schwärmten durcheinander, der Augenblick des Aufbruchs war gekommen. Die Sachen waren bereit, William nahm Abschied, und plötzlich waren alle verschwunden. Die drei Jungen hatten ungeachtet des Einspruchs ihrer Mutter beschlossen, ihren Bruder und Mr. Campbell bis zum Bootshafen zu begleiten, und Mr. Price empfahl sich gleichzeitig, um dem Nachbarn seine Zeitung zurückzubringen.
Nun bestand einige Hoffnung auf etwas wie Stille und Behagen. Nachdem man Rebecca bewogen hatte, den Teetisch abzuräumen, und Mrs. Price das ganze Zimmer nach einem Hemdärmel durchsucht hatte, den Betsey schließlich triumphierend aus der Küche herbeischleppte, kam die kleine Damengesellschaft endlich zur Ruhe, und nach etlichen Stoßseufzern der Mutter, daß es einfach ausgeschlossen wäre, Sams Ausstattung rechtzeitig fertigzumachen, fand sie Muße, an ihre älteste Tochter zu denken und sich nach den Verwandten zu erkundigen, die diese soeben verlassen hatte.
Sie stellte einige Fragen; doch schon eine der allerersten: Wie Schwester Bertram mit den Dienstboten zurechtkäme? Ob sie auch solche Mühe hätte, halbwegs brauchbare Mädchen zu finden? – lenkte Mrs. Prices Gedanken alsbald von Northamptonshire ab und auf ihre eigenen häuslichen Probleme. Die empörende Schlechtigkeit sämtlicher Dienstboten von Portsmouth, von denen sie anscheinend die beiden allerschlechtesten erwischt hatte, nahm sie völlig in Anspruch. Über der detaillierten Schilderung von Rebeccas Missetaten wurden die Bertrams vergessen. Auch Susan brachte eine Menge Anklagen gegen sie vor und Klein-Betsey noch viel mehr. Rebecca schien ein solcher Ausbund von Untugenden zu sein, daß Fanny in aller Bescheidenheit die Mutmaßung äußerte, man würde sie doch sicher nach Ablauf ihres Dienstjahres entlassen.
«Ihr Jahr!» rief Mrs. Price. «Wahrhaftig, ich hoffe, sie vor Ablauf ihres Jahres loszuwerden, denn das wäre erst im November. Hier in Portsmouth ist es eine
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