Mansfield Park
das hinaus, was unsere gemeinsamen Einkünfte gestatten würden. Doch sogar hierin liegt ein gewisser Trost. Es würde mir weniger wehtun, sie zu verlieren, weil ich nicht reich genug bin, als wegen meines Berufs. Das bewiese nur, daß ihre Liebe einem Opfer, das ich in Wahrheit gar nicht zu fordern berechtigt bin, nicht gewachsen ist, und wenn sie mich abweist, wird das, denke ich, der wahre Grund sein. Ihre Vorurteile sind, das glaube ich zuversichtlich, nicht so stark wie früher. Ich teile Dir meine Gedanken mit, wie sie mir durch den Kopf gehen, meine liebe Fanny. Vielleicht widersprechen sie sich manchmal, doch darum geben sie kein weniger wahrheitsgetreues Bild meines Zustandes. Nachdem ich einmal begonnen habe, ist es mir eine Freude, Dir alles zu sagen, was ich empfinde. Ich kann sie nicht aufgeben. So eng wir alle schon verbunden sind und, wie ich hoffe, sein werden, würde der Verzicht auf Mary Crawford gleichzeitig den Verzicht auf die Gesellschaft jener Menschen bedeuten, die mir besonders teuer sind; ich würde mich just von den Häusern und Freunden scheiden, bei denen ich in jeder anderen Betrübnis Trost suchte. Mary aufgeben, hieße auch Crawford und Fanny aufgeben. Wäre die Sache bereits entschieden, hätte sie mir einen richtigen Korb gegeben, so wüßte ich es, das hoffe ich zumindest, auf die rechte Art zu tragen und würde versuchen, mich der Macht zu entziehen, die sie über mein Herz gewonnen hat – und im Lauf einiger Jahre … Aber ich beginne, Unsinn zu schreiben. Wenn sie mich abweist, muß ich es ertragen, und solange sie es nicht getan hat, kann ich niemals aufhören, mich um sie zu bemühen. Das ist die Wahrheit. Die einzige Frage ist wie? Was wäre der beste Weg? Manchmal erwäge ich, nach Ostern wieder nach London zu fahren, und manchmal beschließe ich, nichts zu unternehmen, bis sie wieder nach Mansfield kommt. Schon jetzt spricht sie mit großer Freude von ihrer Rückkehr nach Mansfield im Juni. Aber der Juni ist noch weit. Ich glaube, ich werde ihr schreiben. Ja, ich bin beinahe ganz entschlossen, mich brieflich zu erklären. Vor allem liegt mir daran, bald Gewißheit zu erlangen. Mein jetziger Zustand ist mir unerträglich. Wenn ich alles recht bedenke, ist eine briefliche Erklärung die beste Methode. Ich werde vieles schreiben können, was ich nicht zu sagen wüßte, und sie wird Zeit zum Überlegen haben, bevor sie mir antwortet; das Ergebnis ihres Nachdenkens fürchte ich weniger als einen übereilten Impuls – so glaub’ ich wenigstens. Die größte Gefahr für mich wäre, daß sie sich mit Mrs. Fraser berät, und aus der Ferne wäre es mir nicht möglich, meine Sache zu vertreten. Ein Brief setzt sie allen Nachteilen des Ratholens aus – und wo das eigene Herz nicht eindeutig spricht, kann ein schlechter Ratgeber in einem ungünstigen Augenblick es zu einem Entschluß veranlassen, den es nachträglich vielleicht bereut. Ich muß mir die Sache noch etwas überlegen. Dieser lange Brief, der nur von meinen eigenen Sorgen handelt, dürfte ausreichen, um sogar die Freundschaft einer Fanny auf eine harte Probe zu stellen. Crawford habe ich zuletzt bei Mrs. Frasers großer Gesellschaft getroffen. Was ich von ihm sehe und höre, gefällt mir immer besser. Keine Spur von Schwanken. Er weiß genau, was er will, und handelt danach – eine unschätzbare Eigenschaft. Ich konnte nicht ihn und meine älteste Schwester in einem Raum beisammen sehen, ohne an etwas zu denken, was Du mir einmal sagtest, und ich muß bestätigen, daß sie einander nicht als Freunde begegnet sind. Sie zeigte sich ausgesprochen kühl und wechselte kaum ein Wort mit ihm. Ich sah, daß er sich betroffen zurückzog, und ich bedauerte, daß Mrs. Rushworth ihm einen vermeintlichen früheren Affront gegen Miss Bertram nachtragen sollte. Du wirst meine Meinung über Marias Eheglück hören wollen. Ich konnte keine ungünstigen Symptome entdecken, es scheint, daß sie recht gut miteinander auskommen. Ich war zweimal zum Dinner in Wimpole Street und hätte öfter hingehen können, aber Rushworth als Schwager ist kein Vergnügen. Julia scheint sich in London großartig zu amüsieren. Ich habe dort wenig Freude gehabt – aber hier habe ich noch weniger. Wir sind keine sehr angeregte Gesellschaft. Du wirst sehr vermißt. Mir fehlst Du mehr, als ich ausdrücken kann. Meine Mutter sendet Dir ihre liebevollsten Grüße und hofft, bald wieder von Dir zu hören. Sie spricht fast stündlich von Dir, und es tut mir leid,
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