Mansfield Park
etwas mußte sie schreiben können, auch an ihre Nichte, und da sie jetzt bald um das dankbare Thema von Dr. Grants gichtischen Symptomen und Mrs. Grants Morgenbesuchen gebracht werden sollte, war es wirklich ein schwerer Schlag für sie, daß sie noch dieser beinahe letzten Chance beraubt ward, die Grants brieflich auszuwerten.
Aber sie sollte bald reichlich entschädigt werden. Ihre glückliche Stunde nahte. Ein paar Tage nach Edmunds Brief erhielt Fanny einen von ihrer Tante, der folgendermaßen begann: «Meine liebe Fanny, ich greife zur Feder, um Dir eine sehr beunruhigende Nachricht mitzuteilen, die zweifellos auch Dir große Sorge bereiten wird.»
Das war unvergleichlich besser, als zur Feder greifen zu müssen, um Fanny von allen Einzelheiten des Grantschen Reiseplans in Kenntnis zu setzen, denn die vorliegende Nachricht war dazu angetan, der Feder noch viele Tage lang Beschäftigung zu versprechen; es handelte sich um nichts Geringeres als die schwere Erkrankung ihres ältesten Sohnes, von der sie ein paar Stunden vorher durch einen Eilbrief verständigt worden war.
Tom war mit einigen anderen jungen Leuten von London nach Newmarket geritten, wo er nach einem vernachlässigten Sturz vom Pferd und reichlichem Alkoholgenuß in ein hitziges Fieber verfiel. Da er noch nicht reisefähig war, als seine Gesellschaft aufbrach, hatte man ihn im Hause eines der jungen Leute ganz allein den Annehmlichkeiten von Krankheit und Einsamkeit und der Pflege gleichgültiger Dienstboten überlassen. Sein Zustand hatte sich ständig verschlechtert, anstatt sich, wie er gehofft, bald so weit zu bessern, daß er seinen Freunden folgen konnte. Und es dauerte nicht lange, bis er sich so krank fühlte, daß er ebensogern bereit war wie sein Arzt, einen Eilbrief nach Mansfield abgehen zu lassen.
«Diese traurige Nachricht», bemerkte Lady Bertram, nachdem sie das Wesentliche berichtet hatte, «hat uns, wie Du Dir denken kannst, in die größte Aufregung versetzt, und wir können nicht umhin, uns sehr besorgt und beunruhigt über den armen Patienten zu fühlen, dessen Zustand, wie Sir Thomas befürchtet, recht kritisch sein könnte. Edmund hat sich in seiner Güte unverzüglich bereit erklärt, zur Pflege seines Bruders hinzureisen. Ich freue mich, hinzufügen zu können, daß Sir Thomas mich in diesem traurigen Augenblick nicht verlassen wird, da dies mich allzusehr aufregen würde. Wir werden Edmund in unserem kleinen Kreis schmerzlich vermissen, doch ich will zuversichtlich hoffen, daß er den armen Kranken in weniger besorgniserregendem Zustand vorfinden wird, als man fürchten könnte, und daß es ihm möglich sein wird, ihn bald nach Mansfield zu bringen, was Sir Thomas wünscht und in jeder Beziehung für das günstigste hält. Ich schmeichle mir, daß der arme Invalide bald imstande sein wird, die Übersiedlung ohne allzu große Unbequemlichkeit oder schädliche Folgen zu überstehen. Da ich nicht daran zweifle, wie innig Du, meine liebe Fanny, unter diesen traurigen Umständen mit uns fühlst, werde ich Dir sehr bald wieder Nachricht geben.»
Fannys Gefühle waren in der Tat beträchtlich herzlicher und echter als der Briefstil ihrer Tante. Sie litt aufrichtig mit allen Beteiligten. Tom gefährlich krank, Edmund zu seiner Pflege abgereist, der betrüblich kleine Kreis, der in Mansfield zurückblieb – das waren Sorgen, die jede oder beinahe jede andere Sorge verdrängten. Sie brachte gerade nur genug Selbstsucht auf, um sich zu fragen, ob Edmund wohl schon an Miss Crawford geschrieben hatte, bevor er abberufen wurde – aber sie konnte nicht lange bei einer Empfindung verweilen, die nicht reine Zärtlichkeit und selbstlose Besorgnis war. Ihre Tante vernachlässigte sie nicht, sie schrieb wieder und wieder. Sie erhielten häufige Berichte von Edmund, und diese Berichte wurden ebenso regelmäßig an Fanny weitergegeben, stets im gleichen weitschweifigen Stil und dem gleichen Mischmasch von Zuversicht, Hoffnung und Angst, wie diese Gefühle, eines das andere erzeugend und ablösend, aufs Geratewohl in die Feder flossen. Lady Bertram spielte sozusagen mit der Angst um ihren Sohn. Leiden, die sie nicht sah, hatten wenig Macht über ihre Phantasie; und so schrieb sie sehr behaglich über ihre Aufregung und Angst und den armen Patienten – bis Tom tatsächlich nach Mansfield transportiert wurde und sie die Veränderung, die mit ihm vorgegangen, mit eigenen Augen wahrnahm. An diesem Tag wurde ein Brief an Fanny, den sie früher
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