Mansfield Park
Mrs. Fraser (keine schlechte Kennerin) behauptet, daß sie in ganz London nur drei Männer kennt, die sich an Aussehen, Wuchs und Haltung mit ihm messen können. Und ich muß gestehen, als er vor ein paar Tagen bei uns gespeist hat, ließ sich keiner mit ihm vergleichen, und wir waren eine Gesellschaft von sechzehn Personen! Glücklicherweise gibt es heute keine verräterischen Unterschiede in der Kleidung mehr – aber – aber – aber …
Herzlichst Ihre …
Ich hätte fast vergessen (es ist Edmunds Schuld, er geht mir zuviel im Kopf herum), daß ich Ihnen von Henry und mir noch etwas sehr Wichtiges zu sagen habe, nämlich was Ihre Rückreise nach Northamptonshire betrifft. Mein liebes Kleines, bitte, bitte, bleiben Sie nicht in Portsmouth sitzen, bis Ihr hübsches Aussehen dahin ist. Diese scheußliche Meeresluft ist der Ruin von Schönheit und Gesundheit. Meine arme Tante wurde krank, wenn sie der See nur auf zehn Meilen nahekam, was der Admiral natürlich niemals wahrhaben wollte, aber ich weiß, daß es so war. Ich stehe Ihnen und Henry auf stündlichen Abruf zu Diensten. Ich finde den Plan höchst verlockend. Wir könnten einen kleinen Umweg machen und Ihnen Everingham zeigen, und vielleicht hätten Sie nichts dagegen, über London zu fahren und sich St. George, Hannover Square, von innen anzusehen. Nur halten Sie mir in einem solchen Augenblick Ihren Cousin Edmund vom Leibe, ich möchte nicht in Versuchung geraten. Was für ein langer Brief! Aber noch ein Wort. Ich höre, daß Henry daran denkt, nach Norfolk zurückzufahren, um dort irgend etwas zu erledigen, was Sie gutheißen, doch das kann ihm nicht vor Mitte der nächsten Woche gestattet werden, das heißt, wir können ihn erst nach dem 14. entbehren, weil wir an diesem Abend eine große Gesellschaft geben. Was ein Mann wie Henry bei einem solchen Anlaß wert ist, davon können Sie sich keinen Begriff machen. Sie müssen mir aufs Wort glauben, daß er einfach unschätzbar ist. Da wird er auch die Rushworths sehen, was ich offen gestanden nicht bedauere – ich bin ja doch ein bißchen neugierig – und er, glaube ich, ist es auch, obwohl er es nicht zugeben will.»
Das war ein Brief, den man begierig durchfliegen und dann bedächtig wiederlesen mußte, ein Brief, der Stoff für mancherlei Überlegung bot und schließlich alles ungewisser als je scheinen ließ. Das einzige, was man ihm mit Sicherheit entnehmen konnte, war nur, daß sich noch nichts Entscheidendes ereignet hatte. Edmund hatte noch nicht gesprochen. Was Miss Crawford wirklich dachte – was sie zu tun beabsichtigte oder ohne jede Absicht oder gegen ihre Absicht schließlich tun würde
– ob Edmund ihr weniger teuer war als vor ihrer letzten Trennung – ob in diesem Fall ihre Neigung immer mehr schwinden oder aber neu aufflammen würde – das waren Fragen, die Anlaß zu endlosen Mutmaßungen gaben, über die man an diesem Tag und vielen künftigen Tagen grübeln konnte, ohne doch zu einem Schluß zu gelangen. Am häufigsten drängte sich Fanny der Gedanke auf, daß Miss Crawford, nachdem die Rückkehr zu ihren einstigen Londoner Gewohnheiten ihre Liebe scheinbar abgekühlt und ins Wanken gebracht hatte, letzten Endes doch entdecken würde, daß sie Edmund zu sehr liebte, um ihn aufzugeben. Offenbar bemühte sie sich, weltlicher und ehrgeiziger zu sein, als ihr Herz es zuließ. Sie würde zaudern, sie würde ihn auf die Folter spannen und ihm immer neue Bedingungen stellen, sie würde alles mögliche verlangen, aber schließlich würde sie sich ergeben. Das schien Fanny am wahrscheinlichsten, je mehr sie darüber nachdachte. Ein Haus in London! Das war wohl ganz ausgeschlossen – aber wer konnte sagen, was Miss Crawford nicht noch alles fordern würde! Edmunds Aussichten verfinsterten sich immer mehr. Eine Frau, die imstande war, von ihm zu sprechen und dabei nur seine Erscheinung zu rühmen! Wie unwert sie seiner war! Sie berief sich auf das Lob einer Mrs. Fraser, sie, die ihn seit einem halben Jahr aus nächster Nähe kannte! Fanny schämte sich für sie. Im Vergleich dazu, fühlte sie sich von den Stellen des Briefes, die sich nur auf Mr. Crawford und ihre eigene Person bezogen, kaum berührt. Ob Mr. Crawford vor oder nach dem 14. nach Norfolk reiste, war gewiß nicht ihre Sorge, obwohl sie eigentlich, wenn sie richtig überlegte, wirklich geglaubt hatte, er würde unverzüglich abreisen. Daß Miss Crawford es darauf anlegte, eine Begegnung zwischen ihm und Maria Rushworth
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