Mansfield Park
zu hören, wie viele Wochen sie noch ohne Dich auskommen muß. Vater beabsichtigt, Dich selbst abzuholen, aber das wird erst nach Ostern sein, weil er dann in London zu tun hat. Ich hoffe, daß Du Dich in Portsmouth sehr glücklich fühlst, aber es darf nicht zu einem Jahresbesuch ausarten. Ich brauche Dich hier, um Deinen Rat bezüglich Thornton Lacey einzuholen. Ich habe wenig Lust zu ausführlichen Veränderungen, solange ich nicht weiß, ob es je eine Herrin haben wird. Ich glaube, ich werde doch schreiben. Es ist jetzt beschlossene Tatsache, daß die Grants nach Bath fahren. Montag reisen sie ab. Ich freue mich darüber. In meinem unbehaglichen Zustand eigne ich mich nicht für menschliche Gesellschaft. Doch anscheinend empfindet Deine Tante es als Pech, daß eine so aufregende Mansfielder Neuigkeit in meine Feder gerät statt in die ihre. In alter Freundschaft, meine liebste Fanny, Dein …
Niemals, nein ich werde mir bestimmt niemals wieder einen Brief wünschen, dachte Fanny, als sie fertig gelesen hatte. Hat ein Brief je etwas anderes als Kummer und Enttäuschung gebracht? Nach Ostern erst! Wie soll ich das aushalten? Und die arme Tante, die stündlich von mir spricht!
Fanny tat ihr möglichstes, um solchen Gedanken zu wehren, doch um ein Haar hätte sie sich bald wieder auf der Idee ertappt, daß Sir Thomas sich gegen sie und ihre Tante recht rücksichtslos betrug. Was den eigentlichen Inhalt des Briefes betraf, war er keineswegs geeignet, ihren Verdruß zu beschwichtigen, ja er reizte sie beinahe zu Zorn und Ärger über Edmund. Dieses Hinausschieben hat keinen Sinn, sagte sie sich. Warum bringt er die Sache nicht zur Entscheidung? – Ach, er ist verblendet, und nichts wird ihm die Augen öffnen, gar nichts, nachdem er sie so lange vor der Wahrheit verschließt. Er wird sie heiraten und arm und unglücklich sein. Gebe Gott, daß er unter ihrem Einfluß wenigstens nicht aufhört, achtbar zu sein! – Sie las den Brief noch einmal durch. Mich liebt sie so sehr! Welcher Unsinn! Sie liebt niemanden als sich und ihren Bruder. Ihre Freundinnen bringen sie seit Jahren vom rechten Weg ab! Als ob nicht gerade so gut sie die anderen vom rechten Weg abbringen könnte! Ach, sie haben einander wohl nichts vorzuwerfen, der schlechte Einfluß ist gegenseitig. Aber wenn sie soviel inniger an ihr hängen als sie an ihnen, ist es weniger wahrscheinlich, daß sie verdorben wurde, außer durch Schmeichelei. – Und hier: Die einzige auf der Welt, die er sich als seine Frau vorstellen kann! Das glaube ich wirklich. Es ist eine Liebe, die sein ganzes Leben beherrschen wird. Ob sie ihn nimmt oder abweist, im Herzen ist er mit ihr vermählt. – Mary aufgeben, hieße auch Crawford und Fanny aufgeben! Edmund, du kennst mich noch immer nicht. Die Familien werden niemals miteinander verschwägert sein, wenn nicht du dafür sorgst …
Ach, schreibe, schreib ihr doch! Mach der Sache rasch ein Ende! Genug des Zögerns. Binde dich, unterwirf dich, verdamme dich selber!
Aber solche Empfindungen waren dem Groll zu nahe verwandt, um Fannys Selbstgespräche lange zu beherrschen. Bald wurde sie weicher und trauriger. Edmunds zärtliche Freundschaft, seine Güte, sein Vertrauen rührten sie tief. Ach, er war viel zu gut zu allen Menschen! Kurz gesagt, es war ein Brief, den sie um alles in der Welt nicht hätte bekommen wollen, und es war ein Brief, den sie niemals hoch genug schätzen konnte. Das war das Ende der Geschichte.
Alle, die gern Briefe schreiben und nicht viel zu berichten haben, also ein großer Teil der weiblichen Welt, werden mit Lady Bertram mitfühlen, wie unglücklich es sich für sie traf, daß sie aus einer so kapitalen Neuigkeit wie der Reise der Grants nach Bath keinen Nutzen ziehen konnte; man wird verstehen, wie betrüblich es für sie war, daß die Mitteilung ihrem undankbaren Sohn zufiel, der sie am Ende eines langen Briefes mit schmählicher Knappheit behandelte, während sie eine ganze Seite damit hätte füllen können. Lady Bertram war zwar eine Leuchte im Briefschreiben, da sie in den ersten Jahren ihrer Ehe, mangels anderer Beschäftigung und weil Sir Thomas im Parlament war, sich angewöhnt hatte, Korrespondenzen anzuspinnen und aufrechtzuerhalten, und sie hatte sich für ihren eigenen Gebrauch einen sehr respektablen, von Gemeinplätzen strotzenden und weitläufigen Stil zugelegt, so daß sie mit sehr wenig Stoff erstaunlich weit kam – aber ganz ohne allen Stoff ging es auch bei ihr nicht. Über irgend
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