Mansfield Park
begonnen hatte, in einem ganz anderen Stil zu Ende geschrieben, in der Sprache echter Erschütterung und Beunruhigung. Da schrieb sie, wie sie gesprochen hätte: «Er ist soeben angekommen, meine liebe Fanny, und man hat ihn in sein Zimmer hinauf gebracht. Und ich bin bei Seinem Anblick so erschrocken, daß ich gar nicht weiß, was ich tun soll. Sicher ist er schwer krank. Armer Tom, ich bin ganz verzweifelt und habe große Angst um ihn und Sir Thomas auch. Wie froh wäre ich, wenn Du hier wärest, um mich zu trösten! Aber Sir Thomas hofft, daß er morgen besser aussehen wird, er sagt, wir müßten die Anstrengung der Reise in Betracht ziehen.»
Die echte Besorgnis, die jetzt in der Brust der Mutter erwacht war, sollte nicht so bald weichen. Toms übermäßige Ungeduld, nach Mansfield gebracht zu werden und die Bequemlichkeiten des Heims und des Familienlebens zu genießen, an die er in den Tagen ungetrübter Gesundheit wohl nicht viel gedacht hatte, war mit schuld daran, daß man ihm die Reise zu früh zumutete. Er begann aufs neue zu fiebern, und sein Zustand war eine Woche lang kritischer denn je. Alle waren in der größten Sorge um ihn. Lady Bertram schilderte ihrer Nichte täglich ihre Ängste, und man konnte wohl sagen, daß Fanny jetzt ausschließlich von Briefen lebte; während sie noch unter dem Eindruck des heutigen Briefes litt, fieberte sie schon dem morgigen entgegen. Ohne ihren ältesten Cousin besonders zu lieben, ließ ihr weiches Herz sie doch fühlen, daß sie ihn nicht entbehren mochte; und in ihre Besorgnis mischte sich eine tiefere Trauer, wenn sie in der Unbestechlichkeit ihres Urteils bedachte, wie wenig nützlich, wie wenig selbstlos sein Leben (allem Anschein nach) gewesen war.
Auch jetzt war Susan ihr die einzige teilnehmende Gefährtin und Zuhörerin. Niemand sonst in der Familie vermochte sich für etwas so Fernliegendes wie einen hundert Meilen weit entfernten Krankheitsfall zu interessieren – nicht einmal Mrs. Price, die bestenfalls, wenn sie ihre Tochter mit einem Brief in der Hand sah, ein, zwei kurze Fragen stellte oder gelegentlich gleichmütig bemerkte: «Meine arme Schwester Bertram muß in großer Sorge sein.»
Nach so langer Trennung und in so verschiedenen Lebenssphären hatten die Bande des Blutes fast keine Bedeutung mehr. Die schwesterliche Zuneigung, die von jeher so lau gewesen war wie beider Temperament, bestand nur noch dem Namen nach. Mrs. Price tat für Lady Bertram soviel, wie Lady Bertram für Mrs. Price getan hätte. Drei oder vier beliebige Prices hätten dahingerafft werden können – eigentlich alle bis auf Fanny und William – und Lady Bertram hätte sich darüber nicht viel Gedanken gemacht oder vielleicht von Mrs. Norris’ Lippen das scheinheilige Gerede aufgeschnappt, daß es doch ein großes Glück und ein wahrer Segen für ihre arme, liebe Schwester Price sei, sie jetzt so gut versorgt zu wissen.
45. Kapitel
Etwa eine Woche nach seiner Rückkehr nach Mansfield hatte Tom die unmittelbare Gefahr überwunden, und sein Zustand wurde für soweit zufriedenstellend erklärt, daß seine Mutter vollkommen beruhigt war. Nachdem sie sich an den Anblick seiner Leiden und seiner Schwäche gewöhnt hatte und nur Günstiges über ihn zu hören bekam, war Lady Bertram, die niemals über das, was man ihr sagte, hinausdachte, das geeignetste Objekt der Welt für einen kleinen medizinischen Schwindel. Sie war von Natur aus nicht geneigt, sich Sorgen zu machen, und hatte kein Talent, irgendeine Andeutung aufzufassen und auszulegen. Tom hatte an Fieber gelitten. Das Fieber war jetzt gefallen, und so würde er natürlich bald ganz gesund sein. Etwas anderes vermochte Lady Bertram sich nicht vorzustellen, und Fanny teilte die Sicherheit, in der sich ihre Tante wiegte, bis sie ein paar Zeilen von Edmund erhielt, der ihr eigens schrieb, um ihr ein klareres Bild vom Zustand seines Bruders zu geben und sie in die Befürchtungen einzuweihen, die der Arzt seinem Vater eingeflößt hatte: nach dem Absinken des Fiebers zeigten sich nun einige ausgesprochen hektische Symptome. Sie hielten es für besser, Lady Bertram nicht mit Sorgen zu beunruhigen, die sich hoffentlich als ungerechtfertigt erweisen würden, doch es bestand kein Grund, Fanny die Wahrheit zu verschweigen; man fürchtete für Toms Lungen.
Diese wenigen Zeilen Edmunds zeigten ihr den Patienten und das Krankenzimmer in einem richtigeren und helleren Licht als all die seitenlangen Ergüsse Lady Bertrams. Es gab
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