Mansfield Park
wieder zu nicken begann, kehrte Tom zu seinem früheren Thema und Ton zurück. «Aber dabei bleibe ich, Edmund, daß es eine ganz unschuldige Angelegenheit ist.»
«Ich bin nicht deiner Meinung. Vater wäre ganz und gar nicht einverstanden, davon bin ich überzeugt.»
«Und ich bin vom Gegenteil überzeugt. Vater legt den größten Wert darauf, die Begabung junger Menschen in jeder Hinsicht auszubilden und zu fördern, und für alles, was Agieren, Rezitieren und Deklamieren heißt, hatte er von jeher eine ausgesprochene Vorliebe. Denk nur daran, wie er uns als Jungen dazu angehalten hat. Wie manches liebe Mal haben wir hier in diesem Zimmer zu seiner Belustigung über Cäsars Leichnam getrauert oder die Frage nach Sein oder Nichtsein gestellt! Einmal mußte ich in den Weihnachtsferien jeden Abend die Ballade vom Ritter Norval aufsagen. Ich kann sie noch heute auswendig.»
«Das ist ganz etwas anderes – du mußt selbst den Unterschied erkennen. Vater hat gewünscht, daß wir als Schuljungen richtig und ausdrucksvoll sprechen lernen, aber er wünscht ganz bestimmt nicht, daß seine erwachsenen Töchter Theater spielen. Du kennst seine strengen Anstandsbegriffe.»
«Ich weiß, ich weiß», sagte Tom ungehalten.
«Ich kenne Vater genau so gut wie du und werde bestimmt darauf achten, daß seine Töchter nichts tun, was nicht in seinem Sinne wäre. Kümmere du dich um deine eigenen Angelegenheiten, Edmund, und überlaß mir die Verantwortung für die übrige Familie.»
«Wenn du dich wirklich nicht von der Schauspielerei abbringen läßt», entgegnete Edmund beharrlich, «will ich wenigstens hoffen, daß du es möglichst still und bescheiden abmachst, ohne Theatersaal und Bühne. Es wäre höchst ungehörig, sich in Vaters Abwesenheit solche Freiheiten mit seinem Haus herauszunehmen.»
«Dafür übernehme ich die volle Verantwortung», erklärte Tom in festem Ton. «Vaters Haus wird keinen Schaden leiden. Ich habe bestimmt kein geringeres Interesse an dem guten Zustand des Hauses als du. Und was die kleinen Änderungen betrifft, die ich erwähnt habe – etwa daß wir einen Bücherschrank wegschieben oder eine Tür öffnen oder sogar eine Woche lang das Billardzimmer benützen, ohne Billard zu spielen – so könntest du ebensogut behaupten, Vater hätte etwas dagegen, daß wir uns mehr im Salon und weniger im Frühstückszimmer aufhalten als vor seiner Abreise, oder daß das Klavier jetzt an einer anderen Wand steht. Das ist purer Unsinn.»
«Und die Kosten deines Projekts? Kannst du die auch verantworten?»
«Die Kosten! Ja, die Kosten eines solchen Unternehmens werden uns bestimmt ruinieren! Sie könnten am Ende ganze zwanzig Pfund ausmachen! Irgend etwas Bühnenartiges müssen wir wohl haben, aber das Einfachste vom Einfachen – einen grünen Vorhang und ein paar zusammengeschlagene Bretter, das ist alles. Und da die ganze Zimmermannsarbeit von Christopher Jackson hier im Haus ausgeführt werden kann, wäre es geradezu lächerlich, von Kosten zu reden. Wenn wir nur Jackson Beschäftigung geben, wird Vater mit allem einverstanden sein. Bilde dir nur nicht ein, daß außer dir niemand im Haus richtig zu überlegen und zu urteilen versteht. Du brauchst ja selbst nicht mitzuspielen, wenn du keine Lust hast, aber glaub nur nicht, daß du alle anderen dirigieren kannst.»
«Daß ich selbst mitspiele, kommt überhaupt nicht in Frage», sagte Edmund.
Darauf verließ Tom das Zimmer, und Edmund blieb vor dem Kamin sitzen und schürte ärgerlich und bekümmert im Feuer herum.
Fanny, die alles mitangehört und in ihrem Herzen jedem Gedanken Edmunds zugestimmt hatte, machte jetzt einen schüchternen Versuch, ihn zu trösten: «Vielleicht finden sie gar kein Stück, das allen recht ist. Tom hat einen ganz anderen Geschmack als Maria und Julia.»
«Da habe ich keine Hoffnung, Fanny. Wenn sie auf ihrem Plan bestehen, finden sie sicher etwas. Ich werde noch mit meinen Schwestern reden und versuchen, sie davon abzubringen, aber mehr kann ich nicht tun.»
«Tante Norris wird gewiß auf deiner Seite sein.»
«Das wohl, aber es nützt uns nichts, sie hat keinen Einfluß auf Tom oder die Mädchen. Wenn ich bei Maria und Julia selber nichts ausrichten kann, werde ich die Dinge ihren Gang gehen lassen und nicht erst versuchen, mich hinter Tante Norris zu stecken. Streit in der Familie ist das Allerschlimmste. Alles ist besser, als wenn wir uns untereinander in die Haare geraten.»
Die Schwestern, mit denen Edmund am nächsten Morgen
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