Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mansfield Park

Mansfield Park

Titel: Mansfield Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
ganzen nur wenige Rollen enthalten, aber dafür lauter erstklassige und vor allem drei weibliche Hauptrollen. Alle berühmten Bühnenwerke wurden vergeblich geprüft. Weder Hamlet noch Macbeth noch Othello vermochte die erforderlichen Bedingungen zu erfüllen, ja nicht einmal die tragische Partei zu befriedigen, und eine Reihe unbedeutender Stücke, wie «Die Rivalen», «Schule des Verbrechens», «Das Rad des Schicksals», wurden eines nach dem anderen unter noch heftigeren Protesten verworfen. Es war unmöglich, ein Stück zu nennen, gegen das nicht jemand irgend etwas einzuwenden hatte, und auf beiden Seiten hieß es in einem fort: «Ach nein! Das ist unmöglich … Um Himmels willen, nichts Pathetisches … Zu viele Personen … Keine einzige vernünftige Frauenrolle … Alles, nur das nicht, mein lieber Tom! Wie sollen wir das besetzen? … Diese Rolle kann man wirklich niemandem zumuten … Also, wenn ich unbedingt meine Meinung sagen muß, halte ich es für das dümmste Stück der ganzen englischen Literatur … Von der ersten bis zur letzten Zeile nichts als vulgäre Possenreißerei … Ich möchte bestimmt keine Schwierigkeiten machen, ich bin mit allem einverstanden, aber meinem Gefühl nach könnten wir gar keine schlechtere Wahl treffen …»
    Fanny, die alles mit anhörte, beobachtete nicht ohne stille Belustigung den Egoismus, der jeden einzelnen – mehr oder minder diskret kaschiert – beherrschte, und war gespannt, wie es enden würde. Um ihres eigenen Amüsements willen hätte sie wünschen mögen, daß eine Aufführung zustande käme, denn sie hatte noch nie ein Theaterstück gesehen, doch jedes bessere Gefühl in ihr sprach dagegen.
    «Nein, so geht es nicht weiter», sagte Tom Bertram schließlich. «Es ist schauderhaft, wie wir die Zeit verschwenden. Wir müssen uns auf etwas einigen, ganz gleich was, wenn wir nur endlich zu einem Entschluß kommen. Wir dürfen nicht so wählerisch sein. Ein paar Rollen zuviel dürfen uns nicht schrecken, die lassen sich aufteilen. Wir müssen unsere Ansprüche etwas tiefer schrauben. Je unbedeutender eine Rolle, desto mehr Verdienst gebührt dem Schauspieler, der etwas daraus macht. Ich jedenfalls erhebe von diesem Augenblick an keine Einsprüche mehr. Ich akzeptiere jede Rolle, die man mir zuweist, wenn sie nur komisch ist. Komisch muß sie sein – das ist die einzige Bedingung, die ich stelle.»
    Darauf schlug er mindestens zum fünftenmal den «Gesetzlichen Erben» vor und war nur noch im Zweifel, ob er für sich lieber Lord Duberley oder Dr. Pangloss wählen sollte, während er mit großem Eifer, aber gänzlich erfolglos die anderen davon zu überzeugen suchte, daß das Stück auch einige sehr gute tragische Rollen enthielte.
    Das Stillschweigen, das diesem fruchtlosen Versuch folgte, wurde gleichfalls wieder von Tom beendet. Er hatte eines der vielen Bücher zur Hand genommen, die sich auf dem Tisch häuften, und müßig darin herumgeblättert, als er plötzlich ausrief: «Liebesschwüre! Warum sollten eigentlich die ‹Liebesschwüre› für uns nicht ebensogut taugen wie für die Ravenshaws? Wie kommt es nur, daß wir daran nicht gedacht haben? Es scheint mir genau das Richtige zu sein. Was meint ihr dazu? Hier haben wir zwei kapitale tragische Rollen für Yates und Crawford, und ich nehme den alten Diener, der immer in Reimen spricht – falls kein anderer ihn will – eine kleine Rolle, aber sie liegt mir – und wie gesagt, ich bin entschlossen, jeden beliebigen Part zu akzeptieren und mein Bestes zu leisten. Alles übrige ist leicht zu besetzen. Es handelt sich nur noch um Graf Cassel und Anhalt.»
    Der Vorschlag fand allgemeine Billigung; denn alle waren des Zauderns überdrüssig, und jedem schien es, als wäre bisher nichts annähernd so Passendes vorgebracht worden. Mr. Yates war ganz besonders erfreut. Er hatte in Ecclesford nach der Rolle des Barons geseufzt und geschmachtet und Lord Ravenshaw um jede seiner pathetischen Tiraden beneidet. Den Baron Wildenhaim auf der Bühne recht stürmisch hinzulegen, war sein höchster theatralischer Ehrgeiz, und da er überdies die Hälfte seiner Auftritte schon auswendig konnte, bot er sich mit der größten Bereitwilligkeit für die Rolle an. Zu seiner Ehre sei jedoch gesagt, daß er sie nicht mit allen Mitteln an sich zu reißen trachtete; wie er sich erinnerte, gab es auch in der Rolle des Friedrich ein paar großartig pathetische Stellen, und er erklärte sich ebensogern bereit, diesen zu spielen.

Weitere Kostenlose Bücher