Mansfield Park
Auch Henry Crawford war es gleichgültig, welche von beiden Rollen er übernähme, und er bat Mr. Yates, seine Wahl zu treffen. So komplimentierte man hin und her, bis Miss Bertram, die als künftige Agathe einiges Interesse an der Person ihres Partners hatte, es auf sich nahm, die Frage zu entscheiden, indem sie zu Mr. Yates bemerkte, daß es gerade beim Baron sehr auf Stattlichkeit und Größe ankäme und daß seine Gestalt ihn geradezu für diese Rolle prädestiniere. Man gab ihr allgemein recht, und da auch die beiden Herren sich gern ihrem Schiedsspruch fügten, durfte sie des richtigen Friedrich sicher sein. Somit waren drei Akteure versorgt – ganz abgesehen von Mr. Rushworth, der, wie Maria stets an seiner Stelle versicherte, sich mit jedem Part zufriedengeben würde – als Julia, die ebenso wie ihre Schwester auf die Agathe spitzte, plötzlich Miss Crawfords Interessen zu wahren begann.
«Wir dürfen die Abwesenden nicht übergehen», sagte sie. «Das Stück hat nicht genug weibliche Rollen. Amalia und Agathe mögen für Maria und mich recht sein, aber für Ihre Schwester, Mr. Crawford, gibt es keine geeignete Rolle.»
Mr. Crawford bat, sich dadurch nicht abhalten zu lassen; er sei ganz sicher, daß seine Schwester kein anderes Interesse am Spielen hätte, als sich nützlich zu machen, man solle auf sie keinerlei Rücksicht nehmen. Doch davon wollte wieder Tom Bertram nichts hören, der erklärte, die Rolle der Amalia falle selbstverständlich Miss Crawford zu, falls sie Lust hätte, sie zu übernehmen. «Ebenso selbstverständlich wie die Agathe einer meiner Schwestern», sagte er, «und beide werden gern auf die Amalia verzichten, denn die ist ja eine urkomische Rolle.»
Alle schwiegen, und beide Schwestern sahen ängstlich drein, denn jede meinte, den ersten Anspruch auf die Rolle der Agathe zu haben, und hoffte, daß die anderen sie ihr aufdrängen würden. Henry Crawford, der inzwischen das Buch zur Hand genommen hatte und scheinbar gleichgültig darin herumblätterte, entschied alsbald die Frage. «Ich muß Miss Julia Bertram ernstlich bitten, die Agathe nicht zu übernehmen», sagte er, «sonst ist es um meine feierliche Haltung geschehen. Das dürfen Sie nicht, nein, das dürfen Sie mir nicht antun! Wenn Sie voller Leid und Weh, mit bleichen Wangen vor mir stünden, müßte ich unweigerlich daran denken, wie herzlich wir oft zusammen gelacht haben – und dann bliebe Friedrich mitsamt seinem Ränzel nichts übrig, als davonzulaufen!»
Es war im liebenswürdigsten, galantesten Ton gesagt, doch darauf kam es Julia jetzt nicht an. Sie fing den Blick auf, den er Maria zuwarf, und fühlte den Schimpf, den man ihr antat. Das Ganze war ein Betrug, eine abgekartete Sache! Sie wurde kaltgestellt, Maria war die Bevorzugte! Das triumphierende Lächeln, das Maria vergeblich zu unterdrücken suchte, zeigte ihr, wie gut die beiden sich schon verstanden. Ehe Julia sich noch zu einem Wort aufraffen konnte, warf auch noch ihr Bruder sein Gewicht gegen sie in die Waagschale, indem er sagte: «Ja gewiß, Maria muß die Agathe spielen, Maria wird die beste Agathe sein. Julia glaubt zwar, daß das Tragische ihr besser liegt, aber ich bin nicht ihrer Meinung. Sie hat nichts Tragisches im Wesen und im Ausdruck, ihre Züge sind nicht tragisch, sie bewegt sich zu rasch und spricht zu rasch und könnte sicher nicht ernst bleiben. Sie soll lieber die alte Bäuerin spielen, die Häuslersfrau. Ja wirklich, Julia, glaub es mir, die Häuslersfrau ist eine sehr nette Rolle. Der Humor der alten Dame sticht sehr witzig von den hochtrabenden Reden ihres Mannes ab. Du mußt unbedingt die Häuslersfrau spielen.»
«Die Häuslersfrau!» rief Mr. Yates. «Was fällt Ihnen ein, Bertram? Die banalste, erbärmlichste, unbedeutendste Rolle im ganzen Stück – ein Gemeinplatz am anderen, nicht ein passabler Auftritt – und das soll Ihre Schwester spielen! Der bloße Vorschlag ist eine Beleidigung. In Ecclesford hatte man die Rolle der Gouvernante gegeben, wir waren uns alle einig, daß man sie niemand anderem zumuten könnte. Etwas mehr Gerechtigkeit, Herr Direktor, wenn ich bitten darf! Sie sind Ihres Amtes nicht würdig, wenn Sie die Talente Ihrer Truppe nicht ein wenig besser einzuschätzen wissen.»
«Was das betrifft, lieber Freund, sind wir alle auf Vermutungen angewiesen, solange wir nicht wirklich aufgetreten sind. Aber ich wollte Julia bestimmt nicht nahetreten. Wir können nicht zwei Agathen brauchen und müssen eine
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