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Manta 01 - Omnivor

Manta 01 - Omnivor

Titel: Manta 01 - Omnivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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verborgenen Höhepunkt entgegen.
    »Glück«, rief Veg aus.
    Aquilon, die das Wort mißverstand, schloß zu ihm auf und blickte nach vorne. Sie hatten ein ideales Plateau erreicht, kaum mehr als eine Verbreiterung des Pfades, aber flach und beinahe eben. Oberhalb und unterhalb fiel der Berg so schroff ab, daß es für einen nächtlichen Ruhestörer sehr schwierig werden würde, sich ihnen unbemerkt zu nähern.
    Veg setzte Cal ab.
    »Ich muß den Packen holen«, sagte er und verschwand in der Nacht.
    »Nimm das Gewehr mit«, rief sie ihm nach.
    Sie hatte Wert darauf gelegt, die Waffe nicht zurückzulassen, obgleich sich selbst ihr leichtes Gewicht als enorme Belastung während des Marsches erwiesen hatte. Aber er war schon weg. Seine schweren Tritte verklangen auf dem Pfad nach unten.
    Cal blieb, wo er war, schlafend oder bewußtlos. Aquilon zog ihre Bluse aus. Sie wagte nicht daran zu denken, was sein Zustand bedeuten mochte, und rollte die Bluse zusammen, um sie unter seinen Kopf zu legen, so daß er den Staub nicht einatmen mußte. Sie holte ihren Pinsel und den Zeichenblock hervor. Auch diese vergaß sie niemals.
    Ein paar Minuten später öffnete Cal die Augen und sah, daß sie malte.
    »Mein Gott, wo nimmst du die Energie zum Malen her?«
    »Dein Gott?« erwiderte sie, verwundert aber auch erregt, weil sie erkannte, daß es ihm besser und nicht schlechter ging. Jeder Augenblick, der jetzt noch verging, war ein Beweis dafür, daß es sicher war, den Saft des Schwammpilzes zu trinken. »Du hast eine so wunderliche Ausdrucks weise.«
    Er ließ sich nicht zu einer Erwiderung herab, sondern beobachtete sie mit einem halben Lächeln.
    Aquilon betrachtete die Leere jenseits des pilzübersäten Perimeters und ließ den Pinsel über die Leinwand gleiten. Wieder einmal floß die Farbe wie in einem magischen Automatismus, aber der Automatismus stützte sich auf die Technologie, und die Magie kam von ihr. Der Pinsel war ein kompaktes, ausgeklügeltes Gerät, das in ihren geübten Fingern zu einem Zauberstab wurde. Die Berührung eines der versteckt angebrachten Wahlknöpfe konnte jede Farbkomposition innerhalb des sichtbaren Spektrums produzieren und sie in sparsamer oder großzügiger Form herausfließen lassen. Veg hatte darüber gestaunt, daß sie diese Abstufungen in Farbton und Dichte so subtil zu handhaben wußte, und sie hatte ihm gesagt, daß der Pinsel tatsächlich eine Verlängerung ihres Arms war. Und das, obwohl im Scherz gesagt, kam der Wahrheit ziemlich nahe. Sie war sich der Kontrolle, die sie ausübte, gar nicht bewußt. Sie verlangte nach einer Grauschattierung, und sie kam; königsblau - schon war es da. Der Pinsel konnte genausogut unmittelbar an ihr Gehirn angeschlossen sein oder vielleicht auch an ihre Seele, an ihr kreatives Wesen. Die Bildeindrücke, die sie aufnahm, verschmolzen zu einem großen Ganzen, das sich auf der Leinwand reflektierte.
    Die Leute fragten sie immer, warum sie keine Kamera benutzte. Wie konnte sie ihnen den Unterschied zwischen einem lebenden Pinsel und einer toten Maschine erklären? Man sagte, daß der Künstler seine Bildeindrücke verzerrte, während die Kamera exakt war. Die Wahrheit war jedoch, daß der Künstler die lebendige Essenz einfing, während die Kamera ein totes Abbild festhielt, ein begrenztes Fragment der Geschehnisse, aus denen die Realität bestand. Im Leben gab es keine eingefrorenen, begrenzten Szenen. Wenn die Linien ihres Pinsels nicht so klar umrissen waren wie die einer Fotografie, dann lag das daran, daß die Linien des Lebens nicht so klar umrissen waren wie die des Todes. Wenn ein lebendes Wesen auf eine Formel reduziert werden konnte, dann lebte es nicht länger.
    Aber sie hatte den Versuch aufgegeben, den Leuten dieses Konzept zu erklären. Cal würde es verstanden haben und hatte es deshalb nie nötig gehabt, zu fragen. Veg hatte vermutlich niemals darüber nachgedacht. Er nahm die Dinge so, wie sie waren, und das war auch gut.
    Was die anderen anging, murmelte sie etwas über technische Dinge wie etwa die Zerbrechlichkeit einer guten Ausrüstung oder die Vergänglichkeit einer Fotografie, über die Verzerrungen, die durch fremde Strahlungen und Wellenlängen hervorgerufen wurden, über die Umständlichkeit, schwere Geräte durch die Gegend schleppen und sie in Notsituationen aufstellen zu müssen. »Wie können Sie ein Farbfoto von einer fremdartigen Kreatur machen, die unerwartet für höchstens eine halbe Sekunde auftaucht und wieder

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