Manta 03 - Ox
gezeigt?«
Sie versuchte zu beten: »Gott, gib ihn mir zurück, und ich werde ihn nie wieder verlassen.« Aber es führte zu nichts, denn sie glaubte nicht an irgendeinen Gott, und wenn sie daran geglaubt hätte, wäre es falsch gewesen, einen Handel anzubieten, das wußte sie.
Sie schlief ein und wachte auf und schlief wieder ein, in ständigem Wechsel. Die Nacht schien eine ganze Ewigkeit zu dauern. Sie hatte Hunger, aber es gab nichts außer hitzeverträglichem Moos, das in der Nähe des Höhleneingangs wuchs: keine verträgliche Diät. Deshalb trank sie heißes Wasser, machte sich vor, daß es Suppe war, und täuschte so ihren Magen.
Dann, kurz vor der Dämmerung, wurde sie durch eine Gegenwart aufgeweckt. Irgend jemand war bei ihr in der Höhle. Sie lag ganz still, furchtsam und doch hoffnungsvoll. Es konnte nur Veg sein - aber wie war er an Tyrann vorbeigekommen? Und warum hatten ihn die Mantas hierher geführt, da ihr Geschäft mit dem Dinosaurier doch noch nicht abgeschlossen war?
Für einen Augenblick stand die Gestalt im fahlen Licht des Eingangs. Plötzlich erkannte sie die Silhouette.
»Cal!« rief sie. »Ich dachte, du seist tot!«
Er drehte sich um, offenbar überrascht, sie zu sehen. Seine Sehkraft war immer stärker gewesen als ihre, besonders bei schlechtem Licht.
»Dank dieser günstig gelegenen Höhle bin ich entkommen«, sagte er, als ob es sich um eine reine Routineangelegenheit handelte.
»Genau wie ich«, sagte sie und hatte dabei das zwingende Gefühl des deja vu, das Gefühl, diese Situation schon einmal erlebt zu haben. Wie war es möglich, daß sie Cal nicht früher gesehen hatte? Und wen - oder was
- hatte Tyrann tatsächlich gefressen? Sie war sich ihrer Sache so sicher gewesen.
»Warum bist du gekommen?« fragte er.
»Ich liebe dich«, sagte sie einfach.
Und, durchflutet von atemloser Erleichterung, erinnerte sie sich an den versuchten Handel mit Gott und ihre überwältigende Liebe zu diesem Mann. Sie ging zu ihm, nahm ihn in die Arme, preßte ihre Brüste gegen seinen Körper, küßte seinen Mund und hielt ihn so krampfhaft fest, daß ihr die Arme weh taten.
Er reagierte mit erstaunlicher Vitalität. Kein weiteres Wort wurde gesprochen. Sie fielen in das heiße Wasser, alberten lachend miteinander und küßten und küßten sich, Mund auf Mund, Mund auf Brust, wasserspritzend wie zwei Kinder, die in der Badewanne spielten.
So liebten sie sich immer wieder, solange es das
Fleisch gestattete. Vielleicht war das heiße Wasser ein Tonikum, das ihre Körper immer wieder schnell auflud. Sie schliefen, halb im Wasser ineinander verschlungen, erwachten, liebten sich, schliefen ein, wieder und immer wieder in endloser und oft schmerzvoller Verzückung.
Eine weiteres schreckliches Beben kam und ängstigte sie so, daß sie sich aneinander klammerten und den zitternden Berg ihre Bewegungen machen ließen: ein wilder und heftiger Höhepunkt, als ob sie den Berg durch die Energie ihres Enthusiasmus zum Beben brachten.
Die Nacht kam, und das Spiel ging weiter. Aber als sie am Morgen erwachte, war er unerklärlicherweise gegangen. Alarmiert durchsuchte sie die ganze Höhle, so tief wie es die Hitze erlaubte, fand jedoch keine Spur von ihm. Es war so, als wäre er niemals da gewesen.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, zog sich an und zwängte sich, vorbei an Tyranns Nase, hinaus in die Dämmerung. Es war kalt draußen, und feiner Schnee puderte den Rücken des Dinosauriers. Tyrann schlief und würde sicherlich sterben, denn unausweichlich würde der Frost in seinen Körper schleichen und ihn dem Tode weihen. Letzten Endes hatte sie doch gewonnen. Wahrscheinlich hätte sie schon lange vorher gehen können.
Es gab keine menschlichen Fußabdrücke. Wenn Cal diesen Weg genommen hatte, mußte er es schon vor Stunden getan haben, bevor es so kalt geworden war, daß der Schnee liegen blieb. Und doch hatte sie geglaubt, daß er bis vor kurzem bei ihr gewesen wäre.
Sie bewegte sich den kleinen Canyon hinunter, der Wärme des Tals entgegen, wobei sie, so gut sie konnte, den Spuren folgte, die sie hinterlassen hatten: vor allem Schürfmalen und Tatzeneindrücken des Karnosau- riers, die sich deutlich abhoben, weil sie in gewisser Weise die Konturen der Landschaft verändert hatten.
Sie kam zu der Stelle, von der sie gedacht hatte, daß Cal, hier gestorben war. Sie fand einen seiner Schuhe, aus dem der Fuß und ein Teil des Beins noch herausragten. Fleisch, Knochen und Sehnen waren durch den
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