Mantel, Hilary
zurück, und als er einschläft, hat ihr
Gastgeber weitere zu bieten. Lady Aice sitzt missmutig da. Gardiner, der all
diese Geschichten schon gehört hat, knirscht mit den Zähnen.
»Nehmen Sie meine
Schwiegertochter Anne hier«, sagt More. Das Mädchen senkt die Augen, ihre
Schultern verspannen sich, als sie darauf wartet, was kommt. »Anne wünschte
sich - soll ich es unseren Gästen erzählen, meine Liebe? - sie wünschte sich
eine Perlenkette. Unablässig hat sie davon gesprochen, Sie wissen ja, wie junge
Mädchen sind. Stellen Sie sich Ihr Gesicht vor, als ich ihr eine Schachtel gab,
in der es klapperte. Stellen Sie sich ihr Gesicht beim Öffnen der Schachtel
vor! Was war darin? Getrocknete Erbsen!«
Das Mädchen atmet tief ein.
Sie hebt ihr Gesicht. Er sieht, welche Anstrengung sie das kostet. »Vater«,
sagt sie, »vergiss nicht, die Geschichte von der Frau zu erzählen, die nicht
glaubte, dass die Welt rund ist.«
»Nein, wirklich, die ist gut«,
sagt More.
Als er zu Alice schaut, die
ihren Mann mit gequälter Konzentration anstarrt, denkt er: Sie kann es immer
noch nicht glauben.
Nach dem Essen sprechen sie
über den bösen König Richard. Vor vielen Jahren hat Thomas More damit begonnen,
ein Buch über ihn zu schreiben. Er konnte sich nicht entscheiden, in welcher
Sprache er es verfassen sollte, Englisch oder Latein, und deshalb hat er beides
getan; er ist allerdings nie fertig geworden und hat auch nichts davon drucken
lassen. Richard wurde geboren, um böse zu sein, sagt More; er war von Geburt an
damit gezeichnet. Er schüttelt den Kopf. »Bluttaten. Königliche Spiele.«
»Dunkle Tage«, sagt der Narr.
»Sie mögen niemals
wiederkommen.«
»Amen.« Der Narr zeigt auf die
Gäste. »Die sollen auch nicht wiederkommen.«
Es gibt Leute in London, die
behaupten, dass John Howard, Großvater des jetzigen Norfolk, mehr als nur ein
bisschen mit dem Verschwinden jener Kinder zu tun hatte, die in den Tower
gingen und niemals wieder herauskamen. Die Londoner sagen - und er selbst
denkt, die Londoner müssen es wissen -, dass die Prinzen zuletzt gesehen wurden,
als Howard Wache hielt; trotzdem glaubt Thomas More, dass es der Kommandant des
Towers, Constable Brakenbury, war, der den Mördern die Schlüssel aushändigte.
Brakenbury starb in der Schlacht von Bosworth; er kann nicht aus seinem Grab
steigen und sich beschweren.
Tatsache ist, dass Thomas More
ein dicker Freund des jetzigen Norfolk ist und eifrig leugnet, dass dessen
Vorfahr dabei geholfen hat, irgendjemanden verschwinden zu lassen, ganz zu
schweigen von zwei Kindern königlichen Geblüts. Er vergegenwärtigt sich den
heutigen Herzog: In einer vor Blut triefenden sehnigen Hand hält er eine kleine
Leiche mit goldenem Haar und in der anderen ein kleines Messer, wie man es mit
zu Tisch nimmt, um Fleisch zu schneiden.
Er wendet sich wieder dem
Geschehen zu: Gardiner sticht mit dem Finger in die Luft, bedrängt den
Lordkanzler, fordert Beweise für dessen Thesen. Gleich darauf wird das Murren
und Stöhnen des Narren unerträglich. »Bitte, Vater«, sagt Margaret, »schick
Henry hinaus.« More steht auf, schimpft Pattinson aus und ergreift seinen Arm.
Alle Augen sind auf die beiden gerichtet. Gardiner nutzt die Gelegenheit. Er
beugt sich hinüber und spricht Englisch mit gedämpfter Stimme. »Was Master
Wriothesley betrifft. Sagen Sie es mir. Arbeitet er nun für mich oder für Sie?«
»Für Sie, hätte ich gedacht,
jetzt wo er zu einem der Siegelbeamten befördert wurde. Deren Aufgabe ist es
doch wohl, dem Ersten Sekretär zu assistieren?«
»Warum ist er dann immer in
Ihrem Haus?«
»Er hat keine Verpflichtungen.
Er kann kommen und gehen, wann er will.«
»Ich vermute, er hat Geistliche
satt. Er will feststellen, ob er etwas lernen kann - von ... wie nennen Sie
sich eigentlich dieser Tage?«
»Person«, sagt er bedächtig.
»Der Herzog von Norfolk sagt, ich bin eine Person.«
»Master Wriothesley hat seinen
Vorteil im Auge.«
»Ich hoffe, das haben wir
alle. Wozu hat Gott uns sonst Augen gegeben?«
»Er möchte sein Glück machen.
Wir wissen ja alle, dass das Geld an Ihren Händen kleben bleibt.«
Wie die Blattläuse an Mores
Rosen. »Nein«, seufzt er. »Es rinnt hindurch, leider. Sie wissen, Stephen, wie
sehr ich den Luxus liebe. Zeigen Sie mir einen Teppich, und ich laufe darauf
herum.«
Nachdem der Narr gescholten
und hinausgeworfen wurde, kommt More zu ihnen zurück. »Alice, ich habe dir doch
gesagt, was passiert, wenn man Wein
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