Mantel, Hilary
privaten Paradies da unten.
»Und wer jetzt?«, sagt Anne.
»Gestern Abend sagte er, meine Lordkanzler bereiten mir nichts als Kummer.
Vielleicht kann ich ganz ohne auskommen.«
»Die Anwälte würden das nicht
wollen. Jemand muss die Aufsicht über die Gerichte haben.«
»Nun, wen würden Sie
vorschlagen?«
»Bringen Sie ihn auf den
Gedanken, den Sprecher des Unterhauses zu ernennen. Audley wird ehrliche Arbeit
leisten. Der König kann ihn pro tem in der Rolle ausprobieren, wenn er will, und wenn er
ihm nicht zusagt, braucht er ihn nicht zu bestätigen. Aber ich glaube, er wird
ihn mögen. Audley ist ein guter Anwalt und er ist sein eigener Herr, aber er
weiß, wie man sich nützlich macht. Und er versteht mich, glaube ich.«
»Zu denken, dass jemand das
tut! Gehen wir nach unten?«
»Sie können nicht
widerstehen?«
»Sie doch auch nicht.«
Sie steigen die Innentreppe
hinab. Anne legt ihre Fingerspitzen leicht auf seinen Arm. Unten im Garten
hängen Nachtigallen in Käfigen. Mit Stummheit geschlagen, kauern sie abgewandt
von der hellen Sonne. Ein Wasserstrahl plätschert in ein Becken. Der Duft von
Thymian steigt von den Kräuterbeeten auf. Im Inneren des Palastes lacht eine
Person, die nicht zu sehen ist. Das Geräusch bricht abrupt ab, als wäre eine
Tür geschlossen worden. Er bückt sich und pflückt einen Zweig des Krauts,
zerdrückt ihn und verreibt den Duft in seiner Handfläche. Das bringt ihn an
einen anderen Ort, weit weg von hier. More verbeugt sich vor Anne. Sie nickt
kaum zur Erwiderung. Sie macht einen tiefen Knicks vor Henry und stellt sich an
seine Seite, die Augen auf den Boden geheftet. Henry umklammert ihr
Handgelenk; er möchte ihr etwas sagen oder einfach allein mit ihr sein.
»Sir Thomas?« Er streckt seine
Hand aus. More wendet sich ab. Dann überlegt er es sich anders, dreht sich
wieder um und nimmt sie. Seine Fingerspitzen sind kalt wie Asche.
»Was werden Sie jetzt tun?«
»Schreiben. Beten.«
»Meine Empfehlung wäre, nur
wenig zu schreiben und viel zu beten.«
»Aber, aber, ist das eine
Drohung?« More lächelt.
»Vielleicht. Ich bin an der
Reihe, meinen Sie nicht auch?«
Als der König Anne sah,
hellte sich sein Gesicht auf. Sein Herz ist voller Leidenschaft; in der Hand
seines Ratgebers fühlt es sich an, als brenne es.
Er erwischt Gardiner in
Westminster, in einem der verrauchten hinteren Höfe, wo die Sonne niemals
hinkommt. »Mylord Bischof?«
Gardiner zieht seine buschigen
Augenbrauen zusammen.
»Lady Anne hat mich gebeten,
über ein Haus auf dem Land für sie nachzudenken.«
»Was habe ich damit zu tun?«
»Lassen Sie mich darlegen,
welchen Weg meine Gedanken genommen haben«, sagt er. »Es sollte am Fluss
liegen, in der Nähe von Hampton Court, und Whitehall und Greenwich sollten mit
der Barke erreichbar sein. Ein Anwesen in gutem Zustand, denn sie hat keine
Geduld, sie will nicht warten. Ein Anwesen mit hübschen Gärten, schön
angelegt... Dann denke ich, was ist mit Stephens Landsitz in Hanworth, den der
König ihm verpachtet hat, als er Erster Sekretär wurde?«
Selbst in dem trüben Licht
kann er sehen, wie die Gedanken in Stephens Kopf einander jagen. Oh, mein
Wassergraben und meine kleinen Brücken, meine Rosengärten und Erdbeerbeete,
mein Kräutergarten, meine Bienenstöcke, meine Teiche und mein Obstgarten, oh,
meine Rundbilder aus Terrakotta in italienischem Stil, meine Intarsien, meine
Vergoldungen, meine Galerien, mein Muschelbrunnen, mein Wildpark.
»Es wäre zuvorkommend von
Ihnen, ihr den Pachtvertrag zu überlassen, bevor ein königlicher Befehl dazu
ergeht. Eine gute Tat, die sich angenehm vom Starrsinn der Bischöfe abhebt?
Ach, kommen Sie, Stephen. Sie haben noch andere Häuser. Es ist schließlich
nicht so, als müssten Sie in einem Heuschober schlafen.«
»Wenn das so wäre«, sagt der
Bischof, »würde ich einen von Ihren Jungen in Begleitung eines Rattenpinschers
erwarten, die mich aus meinen Träumen aufschrecken lassen.«
Gardiners Nagetierinstinkte
sind erwacht; seine feuchten schwarzen Augen glitzern. Im Inneren schreit er
vor Empörung und unterdrückter Wut. Aber wenn man es recht bedenkt, ist ein
Teil von ihm vielleicht auch erleichtert, weil das Gesetz so früh vorgelegt
wurde und weil er seinen Bedingungen nachkommen kann.
Gardiner ist immer noch Erster
Sekretär, aber er, Cromwell, sieht den König inzwischen fast jeden Tag. Wenn
Henry einen Ratschlag möchte, kann er damit dienen, und wenn die Frage
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