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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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ihm eine bescheidenere Position zugedacht hätte, wäre er
vielleicht reisender Schauspieler und Leiter seiner Truppe geworden.
    Auf Annes Geheiß bringt er
seinen Neffen zum Hof und Gregory auch; Rafe kennt der König schon, denn er ist
immer an seiner Seite. Der König steht lange da und betrachtet Richard
versunken. »Ich sehe es. Ich sehe es wirklich.«
    In Richards Gesicht gibt es,
soweit er das beurteilen kann, keinerlei Anzeichen, dass er Tudor-Blut hat,
aber der König betrachtet ihn mit den Augen eines Mannes, der gerne Verwandte
hätte. »Ihr Großvater ap Evan war ein großer Diener des Königs, meines Vaters.
Sie sind gut gebaut. Ich würde Sie gerne auf dem Turnierplatz sehen. Ich würde
gerne sehen, wie Sie Ihre Fahne in den Zweikampf tragen.«
    Richard verbeugt sich. Und
weil er der Inbegriff der Höflichkeit ist, wendet sich der König dann an
Gregory und sagt: »Und Sie, Master Gregory, Sie sind auch ein vortrefflicher
junger Mann.«
    Als  der König davongeht,
öffnet sich Gregorys Gesicht vor lauter Freude. Er legt seine Hand auf den Arm,
auf die Stelle, die der König berührt hat, als wolle er die königliche Gnade
auf seine Fingerspitzen übertragen. »Er ist ganz großartig. Er ist so
großartig. Mehr, als ich je gedacht habe. Und dass er mit mir gesprochen hat!«
Er wendet sich an seinen Vater. »Wie schaffst du es nur, jeden Tag mit ihm zu
sprechen?«
    Richard wirft ihm einen
Seitenblick zu. Gregory schlägt ihm auf den Arm. »Von deinem Großvater, dem
Bogenschützen, mal abgesehen, was würde er wohl sagen, wenn er wüsste, dass
dein Vater so groß war?«
Zwischen Zeigefinger und Daumen zeigt er die Statur von Morgan Williams an.
»Seit Jahren reite ich beim Ringelstechen mit. Ich bin auf das Bildnis des
Sarazenen zugeritten und habe meine Lanze einfach so, bums, direkt über seinem
schwarzen Sarazenenherz hineingestochen.«
    »Ja«, sagt Richard geduldig,
»aber auch du Jämmerling wirst noch feststellen, dass ein lebendiger Ritter ein
schwierigeres Unterfangen ist als ein hölzerner Ungläubiger. Und denk mal an
die Kosten - ein Vorzeigeharnisch, ein ganzer Stall von Spezialpferden ...«
    »Wir können es uns leisten«,
sagt er. »Es scheint, dass unsere Tage als Fußsoldaten hinter uns liegen.«
    Am Abend in Austin Friars
bittet er Richard, nach dem Essen mit ihm allein zu sprechen. Möglicherweise
macht er einen Fehler, als er Richard den Plan darlegt und die Ehe, die Anne
vorgeschlagen hat, als geschäftliches Vorhaben formuliert. »Bau nicht darauf.
Wir brauchen noch die Zustimmung des Königs.«
    Richard sagt: »Aber sie kennt
mich ja gar nicht.«
    Er wartet auf Einwände; wenn
man jemanden nicht kennt, ist das ein Einwand? »Ich werde dich nicht zwingen.«
    Richard sieht auf. »Sind Sie
sicher?«
    Wann habe ich, wann habe ich
jemals jemanden gezwungen, etwas zu tun, will er sagen, aber Richard schneidet
ihm das Wort ab: »Nein, das tun Sie nicht, das stimmt, es ist nur, dass Sie
geübt im Überreden sind; manchmal ist es eher schwierig, Sir, den Unterschied
festzustellen: Wurde man nun von Ihnen überredet oder von Fremden auf der
Straße zusammengeschlagen und getreten?«
    »Ich weiß, Lady Carey ist
älter als du, aber sie ist sehr schön, ich glaube sogar, sie ist die schönste
Frau bei Hofe, und sie ist nicht so einfältig, wie alle denken, außerdem hat
sie nichts von der Boshaftigkeit ihrer Schwester an sich.« Auf merkwürdige Art,
denkt er, war sie mir eine gute Freundin. »Und statt der nicht anerkannte
Vetter des Königs zu sein, wärest du sein Schwager. Wir würden alle davon
profitieren.«
    »Ein Titel vielleicht? Für Sie
und für mich. Hervorragende Partien für Alice und Jo. Und Gregory? Mindestens
eine Gräfin für ihn.« Richards Stimme ist ausdruckslos. Überredet er sich
selbst dazu? Schwer zu sagen. Bei vielen Menschen, vielleicht den meisten,
liegt das Buch ihres Herzens geöffnet vor ihm, aber es gibt Zeiten, in denen es
einfacher ist, Außenstehende zu lesen als die eigene Familie. »Und Thomas
Boleyn wäre mein Schwiegervater. Und Onkel Norfolk wäre wirklich unser Onkel.«
    »Stell dir sein Gesicht vor.«
    »Oh, sein Gesicht. Ja, man
würde barfuß über glühende Kohlen laufen, nur um seinen Gesichtsausdruck zu
sehen.«
    »Denk darüber nach. Erzähle es
niemandem.«
    Richard verlässt den Raum mit
einem Kopfnicken, aber ohne weiteres Wort. Anscheinend interpretiert er
»erzähle es niemandem« als »erzähle es niemandem außer Rafe«, denn zehn
Minuten

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