Mantel, Hilary
auf
heimischem Boden gestehen kann. Es ist notwendig, den Einfluss dieser Leute zu
brechen, die von Endzeit reden und uns mit Seuchen und Verdammnis drohen. Es
ist notwendig, den Schrecken zu vertreiben, den sie verbreiten.
Thomas More ist da,
eingezwängt zwischen den städtischen Würdenträgern; jetzt kommt er auf ihn zu,
während die Prediger hinuntersteigen und die Gefangenen von der Plattform
geführt werden. More reibt sich seine kalten Hände. Er haucht sie an. »Ihr
Verbrechen ist, dass sie benutzt wurde.«
Er denkt: Warum hat Alice dich
ohne Handschuhe ausgehen lassen? »Trotz aller Zeugenaussagen, die ich habe«,
sagt er, »kann ich immer noch nicht verstehen, wie sie hierhergekommen ist, vom
Rande des Marschlandes zu einem öffentlichen Tribunal in Paul's. Es ist ganz
sicher, dass sie kein Geld damit gemacht hat.«
»Wie werden Sie die Anklage
formulieren?« Mores Ton ist neutral, interessiert, von Jurist zu Jurist.
»Das Gewohnheitsrecht befasst
sich nicht mit Frauen, die sagen, sie können fliegen oder die Toten erwecken.
Ich werde einen parlamentarischen Strafbeschluss erwirken. Eine Anklage wegen
Verrats gegen die Haupttäter. Für die Komplizen lebenslange Haft, Konfiszierung
ihres Besitzes, Geldstrafen. Der König wird umsichtig sein, denke ich. Sogar
gnädig. Ich bin mehr daran interessiert, die Pläne dieser Leute zu durchkreuzen,
als Strafen zu verhängen. Ich will keinen Prozess mit Dutzenden von
Angeklagten und Hunderten von Zeugen, der die Gerichte jahrelang beschäftigt.«
More zögert.
»Kommen Sie«, sagt er, »Sie
wären auf genau dieselbe Weise mit ihnen verfahren, als Sie Kanzler waren.«
»Sie könnten recht haben. Ich
bin ohnehin unbelastet.« Pause. More sagt: »Thomas. Im Namen Christi, Sie wissen
das.«
»Solange der König es weiß.
Wir müssen es fest in seinem Kopf verankern. Ein Brief von Ihnen vielleicht,
in dem Sie sich nach Prinzessin Elizabeth erkundigen.«
»Das kann ich machen.«
»In dem Sie deutlich machen,
dass Sie ihre Rechte und Titel anerkennen.«
»Das ist keine Schwierigkeit.
Diese neue Ehe ist geschlossen und muss akzeptiert werden.«
»Sie glauben nicht, dass Sie
sich dazu überwinden könnten, sie zu preisen?«
»Warum sollte der König
wollen, dass andere Männer seine Frau preisen?«
»Angenommen, Sie würden einen
offenen Brief schreiben. Um zu sagen, dass Sie in der Frage der natürlichen
Jurisdiktion des Königs über die Kirche das Licht gesehen haben.« Er sieht
hinüber zu der Stelle, wo die Gefangenen auf die wartenden Karren geladen
werden. »Sie bringen sie jetzt in den Tower zurück.« Er macht eine Pause. »Sie
sollten hier nicht herumstehen. Kommen Sie zum Essen mit zu mir nach Hause.«
»Nein.« More schüttelt den
Kopf. »Ich lasse mich lieber auf dem Fluss vom Wind durchschaukeln und gehe
hungrig nach Hause. Wenn ich darauf vertrauen könnte, dass Sie mir nur zu essen
geben - aber Sie werden mir Worte in den Mund legen.«
Er sieht zu, wie er in der
Menge der heimkehrenden Würdenträger verschwindet. Er denkt: More ist zu stolz,
um von seiner Position abzuweichen. Er hat Angst, seine Glaubwürdigkeit bei
den Gelehrten Europas zu verlieren. Wir müssen einen Weg finden, wie er es tun
kann, ohne dass er erbärmlich dasteht. Der Himmel ist aufgeklart zu einem
makellosen tiefen Blau. Die Gärten Londons leuchten mit ihren Beeren. Ein
hartnäckiger Winter steht bevor. Aber er spürt eine Macht, die sich Bahn
brechen will, wie der Frühling auf dem toten Baum aufbricht. Während sich das
Wort Gottes verbreitet, werden den Menschen die Augen für neue Wahrheiten
geöffnet. Wie Helen Barre kannten sie bis jetzt Noah und die Sintflut, aber
nicht den Apostel Paulus. Sie konnten die Leiden unserer Heiligen Mutter
aufzählen und sagen, wie die Verdammten in die Hölle geschleppt werden. Aber
sie kannten die mannigfaltigen Wunder und Worte Christi nicht und auch nicht
die Worte und Taten der Apostel; das waren einfache Männer, die wie die Armen
von London einfachen wortlosen Gewerben nachgingen. Die Geschichte ist viel
größer, als sie je gedacht haben. Er sagt zu seinem Neffen Richard: Man kann
den Leuten nicht nur einen Teil der Geschichte erzählen und dann aufhören oder
nur ausgewählte Teile erzählen. Sie haben ihre Religion auf die Wände von
Kirchen gemalt gesehen oder in Stein gemeißelt, jetzt hebt Gott seine Feder in
die Höhe und ist bereit, seine Worte in das Buch ihrer Herzen zu schreiben.
Auf denselben Straßen jedoch
sieht
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