Mantel, Hilary
Chapuys den Beginn von Aufständen, sieht eine Stadt, die bereit ist,
ihre Tore für den Kaiser zu öffnen. Er war nicht in Rom, als die Stadt
geplündert wurde, aber es gibt Nächte, in denen er davon träumt, als wäre er
dort gewesen: die schwarzen Eingeweide, die sich über das antike Pflaster
ergießen, die Halbtoten in den Brunnen, das Läuten der Glocken durch den Nebel
der Sümpfe und die Fackeln der Brandstifter mit ihren Flammen, die auf den
Mauern blecken. Rom ist gefallen und alles, was darin war. Es waren allerdings
keine Eindringlinge, es war Papst Julius, der die alte Peterskirche abriss, die
zwölfhundert Jahre an der Stelle gestanden hatte, wo Kaiser Konstantin
eigenhändig den ersten Graben ausgehoben hatte, zwölf Schaufeln Erde, einen für
jeden der Apostel; wo die christlichen Märtyrer, eingenäht in die Häute wilder
Tiere, von Hunden zerfetzt wurden. Fünfundzwanzig Fuß tief grub er, um seine
neuen Fundamente zu legen, grub durch eine Nekropolis hindurch, durch zwölf
Jahrhunderte von Gräten und Asche, und die Schaufeln seiner Arbeiter machten
die Schädel von Heiligen zu Staub. An dem Ort, wo Märtyrer geblutet hatten,
standen nun geisterweiße Felsblöcke: Marmor, der auf Michelangelo wartete.
Auf der Straße sieht er einen
Priester, der die Hostie trägt, zweifellos zu einem sterbenden Londoner; die
Passanten entblößen die Köpfe und knien nieder, aber ein Junge beugt sich aus
einem Fenster und höhnt von oben: »Zeig uns deinen Christus-ist-auferstanden.
Zeig uns dein Schachtelmännchen.« Er blickt hinauf; das Gesicht des Jungen ist
wutentbrannt, bevor es verschwindet.
Er sagt zu Cranmer: Diese
Leute wollen eine gute Autorität, einen, dem sie wirklich gehorchen können.
Jahrhundertelang hat Rom ihnen befohlen zu glauben, was nur Kinder glauben
konnten. Sicherlich werden sie es natürlicher finden, einem englischen König
zu gehorchen, der seine Macht unter dem Parlament und unter Gott ausübt.
Zwei Tage, nachdem er More
fröstelnd bei der Predigt gesehen hat, lässt er Lady Exeter eine Begnadigung
überbringen. Sie ist versehen mit einigen scharfen Worten des Königs, die an
ihren Mann gerichtet sind. Es ist der Tag der heiligen Katharina: Zu Ehren der
Heiligen, die vom Märtyrertod auf dem Rad bedroht war, laufen wir alle in
Kreisen zu unserem Ziel. Zumindest ist das die Theorie. Er hat nie jemanden
über zwölf gesehen, der das tatsächlich getan hat.
Es gibt ein Gefühl der Kraft,
aus dem man schöpfen kann, eine Kraft, die direkt in die Knochen fährt wie das
Zittern, das man im Schaft einer Axt spürt, wenn man sie in die Hand nimmt. Man
kann zuschlagen oder man kann auch nicht zuschlagen, und wenn man sich
entschließt, den Schlag zurückzuhalten, kann man trotzdem in seinem Inneren die
Resonanz der unterlassenen Handlung spüren.
Am nächsten Tag in Hampton
Court heiratet der Sohn des Königs, der Herzog von Richmond, Norfolks Tochter
Mary. Anne hat diese Ehe zur Verherrlichung der Howards arrangiert, und darüber
hinaus, um Henry davon abzuhalten, seinen Bastard zum Vorteil des Jungen mit
einer ausländischen Prinzessin zu verheiraten. Sie hat den König dazu überredet,
auf die grandiose Mitgift zu verzichten, die er erwartet hätte, und nachdem sie
mit all ihren Absichten triumphiert hat, gesellt sie sich zu den Tänzern, ihr
schmales Gesicht ist gerötet, ihr glänzendes Haar geflochten und mit Diamanten
geschmückt. Henry kann seinen Blick nicht von ihr abwenden, und er kann es auch
nicht.
Richmond zieht alle übrigen
Blicke auf sich, tollt wie ein Fohlen herum, prahlt mit seinem Hochzeitsstaat,
dreht sich, springt, hüpft und stolziert. Schaut ihn an, sagen die älteren
Damen, und ihr könnt sehen, wie sein Vater einmal war: diese wunderbar
leuchtende Haut, so dünn wie die eines Mädchens. »Master Cromwell«, fordert er,
»sagen Sie dem König, meinem Vater, dass ich mit meiner Frau zusammenleben will.
Er sagt, dass ich in meinen Haushalt zurückkehren und dass Mary bei der Königin
bleiben soll.«
»Er trägt Sorge für Ihre
Gesundheit, Mylord.«
»Ich werde bald fünfzehn.«
»Es dauert noch ein halbes
Jahr bis zu Ihrem Geburtstag.«
Der fröhliche Ausdruck des
Jungen verschwindet; ein eisiger Blick macht sich auf seinem Gesicht breit.
»Ein halbes Jahr ist nichts. Ein Mann von fünfzehn ist dazu fähig.«
»So hört man«, sagt Lady
Rochford, die untätig dabeisteht. »Der König, Ihr Vater, hat Zeugen vor
Gericht aussagen lassen, dass sein Bruder die
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