Mantel, Hilary
Katherine ins ewige Reich eingeht. Ist das falsch?«
»Wenn Sie mit den Fingern
schnippen, Majestät, kommen hundert Priester angerannt und lehren Sie, falsch
von richtig zu unterscheiden.«
»Aber anscheinend höre ich es
lieber von Ihnen.« Henry brütet in mürrischer, nervöser Stille. »Wenn Clemens
stirbt, wer wird dann der nächste amtierende Gauner?«
»Ich habe mein Geld auf
Alessandro Farnese gesetzt.«
»Wirklich?« Henry setzt sich
auf. »Es gibt Wetten?«
»Ja, aber die Gewinnmarge ist
nicht groß. Er hat beim römischen Mob all die Jahre mit solchen
Bestechungsgeldern um sich geworfen, dass sie die Kardinäle in Angst und
Schrecken versetzen werden, wenn die Zeit kommt.«
»Sagen Sie mal, wie viele
Kinder hat er eigentlich?«
»Vier, von denen ich weiß.«
Der König blickt auf den
Gobelin an der Wand neben ihm, wo Frauen mit weißen Schultern barfuß auf einem
Teppich aus Frühlingsblumen wandeln. »Ich habe vielleicht bald noch ein Kind.«
»Die Königin hat mit Ihnen
gesprochen?«
»Noch nicht.« Aber er sieht -
wie wir alle - die Farbe auf Annes Wangen, die seidene Glätte ihrer Person,
den Befehlston in ihrer Stimme, wenn sie Gefälligkeiten und Belohnungen an die
Leute in ihrer Umgebung verteilt. In dieser letzten Woche gab es mehr
Belohnungen als dunkle Blicke, und Stephen Vaughans Frau, die in der
Schlafkammer dient, sagt, dass ihre Regel ausgeblieben ist. Der König sagt:
»Sie hat ihre...« und dann verstummt er und wird rot wie ein Schuljunge. Henry
durchquert den Raum, öffnet die Arme weit und umarmt ihn, er leuchtet wie ein
Stern, seine großen Hände mit ihren flammenden Ringen greifen fest in den
schwarzen Samt seiner Jacke. »Dieses Mal bestimmt. England gehört uns.«
Archaisch, dieser Schrei aus
dem Herzen: Als stünde er auf dem Schlachtfeld zwischen den blutigen Bannern,
die Krone in einem Dornbusch, seine Feinde tot zu seinen Füßen.
Er befreit sich vorsichtig,
lächelt. Er streicht das Memorandum glatt, das er in der Faust zusammengeballt
hat, als der König ihn packte; denn so ist es doch, wenn Männer sich umarmen:
Sie kneten einander mit großen Fäusten, als wollten sie sich umstoßen. Henry
drückt seinen Arm und sagt: »Thomas, es ist, als würde man einen Hafendamm
umarmen. Woraus sind Sie gemacht?« Er nimmt das Blatt Pa pier. Er starrt es an. »Steht
da, was wir heute Morgen tun müssen? Auf dieser Liste?«
»Nicht mehr als fünfzig
Punkte. Wir werden sie schnell abarbeiten.«
Den ganzen Tag kann er nicht
aufhören zu lächeln. Wer schert sich um Clemens und seine päpstlichen Bullen?
Es würde ihm nichts ausmachen, auf der Cheapside zu stehen und sich von der
Bevölkerung mit allerlei bewerfen zu lassen. Es würde ihm nichts ausmachen,
unter den Weihnachtsgirlanden zu stehen - die wir in Jahren ohne Schnee mit
Mehl bestäuben - und zu singen: »Hey nonny no, Fa-la-la, Under the trees so
green-o.«
An einem kalten Tag Ende
November tun die Magd und ein halbes Dutzend ihrer wichtigsten Unterstützer
Buße in Paul's Cross. An Ketten gefesselt und barfuß stehen sie in einem
peitschenden Wind. Die Menge ist groß und ausgelassen, die Predigt erzählt
anschaulich, was die Magd auf ihren nächtlichen Spaziergängen getan hat, wenn
ihre Schwestern im Glauben schliefen, und welche widerlichen Geschichten von
Teufeln sie erzählt hat, um ihre Anhänger zu beeindrucken. Ihr Geständnis wird
vorgelesen, und als das beendet ist, bittet sie die Londoner, für sie zu
beten, und fleht um die Gnade des Königs.
Man würde es jetzt nicht wiedererkennen,
das hübsche Mädchen, das sie in Lambeth vernommen haben. Sie sieht verhärmt aus
und zehn Jahre älter. Nicht dass ihr wehgetan wurde, das würde er bei einer
Frau nicht dulden; tatsächlich haben sie alle ausgepackt, ohne dass Zwang
ausgeübt wurde; die Schwierigkeit war, sie davon abzuhalten, die Geschichte
durch Gerüchte und Hirngespinste so zu komplizieren, dass halb England
hineingezogen wird. Den einen Priester, der hartnäckig gelogen hatte, hat er
einfach mit einem Informanten zusammengesperrt; der Mann war wegen Mordes
inhaftiert, und in kürzester Zeit unternahm Vater Rieh den Versuch, die Seele
seines Mitgefangenen zu retten, die Prophezeiungen der Magd für ihn zu deuten
und ihn mit den Namen von wichtigen Leuten zu beeindrucken, die er bei Hofe
kennt. Erbärmlich, wirklich. Aber es war notwendig, diese Schau zu veranstalten,
und als Nächstes wird er sie nach Canterbury bringen, damit Dame Elizabeth
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