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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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schwören, dass er zu ihnen
hineingekrochen ist«, flüstert Rafe. »Es wundert mich, dass sie niemanden
gefunden haben.«
    Das Gericht muss sich mit der
Bezeugung dessen begnügen, was am nächsten Morgen gesagt wurde. Als der Prinz
aus dem Brautgemach kam, sagte er, er sei durstig, und bat Sir Anthony Willoughby
um einen Becher Ae. »Letzte Nacht war ich mitten in Spanien«, sagte er. Der primitive
Scherz eines kleinen Jungen, der jetzt wieder ans Licht gezerrt wird; der Junge
ist seit dreißig Jahren tot. Wie einsam es sein muss, jung zu sterben und ohne Gesellschaft
ins Dunkle hinabzusteigen! Maurice St John ist nicht bei ihm in seiner Gruft in
der Kathedrale von Worcester: und auch nicht Mr Cromer oder William Woodall
oder einer der anderen Männer, die ihn sagen hörten: »Meine Herren, welch
herrlicher Zeitvertreib, eine Frau zu haben!«
    Nachdem sie das alles angehört
haben und an die frische Luft kommen, verspürt er eine merkwürdige Kälte. Er
legt eine Hand an sein Gesicht, berührt seinen Wangenknochen. Rafe sagt: »Was
wäre das für ein armer Wicht von einem Bräutigam, wenn er am Morgen herauskäme
und sagte: >Guten Tag, meine Herren. Nichts passiert!< Er hat angegeben,
oder? Das war alles. Sie haben vergessen, wie es ist, fünfzehn zu sein.«
    Noch während das Gericht tagt,
verliert König Francois in Italien eine Schlacht. Papst Clemens ist bereit,
einen neuen Vertrag mit dem Kaiser zu unterzeichnen, mit Königin Katherines
Neffen. Das weiß er, Cromwell, noch nicht, als er sagt: »Das war nicht gut
heute. Wenn wir wollen, dass ganz Europa uns auslacht, haben wir ihnen jetzt
allen Grund gegeben.«
    Er wirft einen Blick auf Rafe,
dessen Problem offensichtlich ist, dass er sich in niemanden hineinversetzen
kann, nicht einmal in einen übereifrigen Fünfzehnjährigen, der Katherine
penetrieren möchte. Rafe hat natürlich den Kardinal nicht über die frühere
Anziehungskraft der Königin sprechen hören. »Nun, ich setze die
Urteilsverkündung aus. Und das wird das Gericht ebenfalls tun. Sie können
nichts anderes machen.« Er sagt: »Rafe, du bist so viel näher dran. Ich kann mich
nicht erinnern, wie es war, fünfzehn zu sein.«
    »Wirklich? Waren Sie nicht
fünfzehn oder so, als Sie nach Frankreich kamen?«
    »Ja, das war ich wohl.«
Wolsey: Arthur wäre ungefähr so alt wie Sie, Thomas, wenn er noch leben würde.
Er erinnert sich an eine Frau in Dover: Er presst sie an eine Wand; ihre
kleinen zerbrechlichen Knochen, ihr junges, trostloses, fahles Gesicht. Ein
leichtes Gefühl von Panik, Verlust erfasst ihn; was, wenn der Witz des
Kardinals kein Witz ist, und die Erde ist übersät mit seinen Kindern, und er
hat niemals recht an ihnen gehandelt? Das ist das einzig Ehrbare, was man tun
kann: sich um seine Kinder zu kümmern. »Rafe«, sagt er, »weißt du, dass ich
noch kein Testament gemacht habe? Ich wollte es machen, aber ich habe es nicht
getan. Ich sollte nach Hause gehen und es aufsetzen.«
    »Warum?« Rafe sieht erstaunt
aus. »Warum jetzt? Der Kardinal wird Sie brauchen.«
    »Komm nach Hause.« Er nimmt
Rafes Arm. An der anderen Seite berührt ihn eine Hand: fleischlose Finger. Ein
Geist geht da: Arthur, bleich und wissbegierig. König Henry, denkt er, du hast
ihn zum Leben erweckt; jetzt musst du ihn auch wieder verschwinden lassen.
     
    Juli 1529: Thomas
Cromwell aus London, Gentleman. Gesund an Körper und Geist. An seinen Sohn Gregory
gehen sechshundertsechsundsechzig Pfund, dreizehn Shilling und vier Pence. Und
Federbetten, Polster und die Steppdecke aus gelbem türkischem Satin, das Bett
aus flämischer Werkstatt, der geschnitzte Kleiderschrank und die übrigen
Schränke, das Silber und das vergoldete Silber und zwölf Silberlöffel. Und
Pachtverträge von Bauernhöfen, die von den Testamentsvollstreckern für ihn
verwaltet werden sollen, bis er volljährig ist, sowie weitere zweihundert Pfund
in Gold für ihn zum selben Zeitpunkt. Geld an die Testamentsvollstrecker für
die Erziehung und die Mitgift seiner Tochter Anne und seiner kleinen Tochter
Grace. Eine Mitgift für seine Nichte Aice Wellyfed; Roben, Jacken und Wämser an
seine Neffen; an Mercy alle Art von Hausrat und etwas Silber und alles, was die
Testamentsvollstrecker für richtig halten. Vermächtnisse an die Schwester
seiner verstorbenen Frau, Johane, und ihren Mann John Williamson, und eine
Mitgift an ihre Tochter, ebenfalls Johane. Geld an seine Dienstboten. Vierzig
Pfund, die unter vierzig armen Jungfern bei ihrer

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