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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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ab und sagte nur: „Ach, diese dumme Kuh!“
    Sie schenkte Kaffee nach und entschloss sich doch zu einem Bericht. „Trägt sich mit dem Gedanken, sich das Fett am Bauch absaugen zu lassen.“
    Karin beugte sich gespannt vor. Luise knallte die Kanne auf den Tisch, dass es schepperte und Chris sah im Geiste schon zersprungene Wildrosen und einen Kaffeesee. Aber das Porzellan hielt.
    Seine Mutter seufzte theatralisch und sagte: „Sie hat mit ihrer Tochter darüber gesprochen. Und die hat doch allen Ernstes vorgeschlagen, sie sollte sich erst mal den Busen vergrößern lassen. Und nun regt sich Irene darüber auf.“
    Nun, wer wäre nicht beleidigt, überlegte Chris, wenn die eigene Tochter einem zu verstehen gibt, dass sie die Figur der Mutter nicht in Ordnung findet. Mitfühlend sagte er: „Ich hoffe, du hast sie trösten können?“
    „Trösten?“ Luise sah ihren Sohn kalt an. „Ihr Busen ist zu klein! Aber ich finde, ihr Doppelkinn hätte es nötiger.“
    Chris warf Karin einen kurzen Blick zu, die konzentriert in ihrem Kaffee rührte und wahrscheinlich mit einem Lachanfall kämpfte. Plötzlich ahnte er, welche Katastrophe sich da eben am Telefon ereignet hatte.
    „Und … äh … das hast du ihr jetzt … gesagt?“, pirschte er sich vorwärts.
    „Natürlich!“, antwortete Luise pikiert und griff zu ihrem Kuchenteller. „Und weißt du, was diese blöde Ziege sagt? Mein Kinn wäre ja wohl auch nicht mehr das, was es mal war.“
    Sie stellte den Teller wieder ab und griff sich nachdenklich an den Hals.
     
    ********
     
    Susanne trat von einem Bein aufs andere und sah dem Mann, der aus dem Haus gekommen war, hinterher. Irgendetwas irritierte sie. Wo blieben die Kollegen nur? Wieso fand Hellwein keinen Parkplatz? Nein, das war es nicht, was sie so konfus machte.
    Lag es an dem Mann? Seinem rosigen, überaus glatten Gesicht, das noch Spuren einer vor Tagen verunglückten Rasur trug? Verunglückte Rasur? … Rosig … „Abgeleckte Butterschüssel“. Als Ostwestfälin hatte sie die rheinischen Sprachfeinheiten nie verstanden — bis zu diesem Augenblick.
    Mit einem „Verfluchte Scheiße“ warf sie ihre Zigarette in die Gosse. Der Mann war schon beinahe an der nächsten Straßenecke, trotzdem konnte sie erkennen, dass er leicht nach vorn gebeugt ging und den Kopf zwischen die Schultern gezogen hatte. Geduckt wie ein Hund, den man prügelte.
    „Das ist er“, murmelte sie, und lauter: „Verdammt nochmal! Das ist er!“
    In diesem Augenblick kam Hellwein um die Ecke getrottet.
    „Heinz!“, schrie sie. „Das ist Ballmann!“
    Gleichzeitig begann sie zu rennen. Ballmann, der seinen Namen gehört hatte, reagierte rasend schnell. Er sprintete los, senkte den Kopf noch ein wenig, lief einfach in den völlig verdutzten Hellwein hinein und stürmte in die Seitenstraße.
    Der Polizist klappte zusammen wie ein Taschenmesser und fiel vornüber. Aber noch bevor Susanne ihn erreicht hatte, kam er stolpernd auf die Beine und setzte Ballmann hinterher. Hinter sich hörte sie die Schritte von Hansen und dem kleinen Müller. Wo, zum Teufel, steckten die anderen?
    Ballmann wurde durch Hellweins massigen Körper verdeckt, aber er musste ihm dicht auf den Fersen sein. Ohne das Tempo zu drosseln, rannte er in eine Unterführung. Mist, schoss es Susanne durch den Kopf. Ballmann läuft ins Gremberger Wäldchen!
    „Sein“ Gremberger Wäldchen, das er mit Sicherheit besser kannte als seine Westentasche. Wenn er da erst mal außer Sichtweite geriet …
    Ihr Atem ging rasselnd. Der lange Mantel schlug ihr bei jedem Schritt um die Beine und behinderte sie. Lange würde sie das Tempo, das Ballmann vorlegte, nicht mehr mithalten können. Sie hatte noch nie viel auf körperliche Ertüchtigung gegeben, und bei den Pflichtsportstunden, die jeder Polizist absolvieren musste, schummelte sie häufig. Jetzt verfluchte sie ihre Schludrigkeit, ihren Zigarettenkonsum und ihr Alter. Hansen und Müller hinter ihr, zehn, fünfzehn Jahre jünger, holten immer mehr auf. Und auch Hellwein machte nicht den Eindruck, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen.
    Die Schrebergartenkolonie hinter der Unterführung lag verlassen da. Wenigstens würde Ballmann sich hier keine Geisel greifen können. Aber am Ende der Gärten fing gleich das Gremberger Wäldchen an, wenn Susanne nicht alles täuschte. Hellwein verschwand hinter einer engen Kurve.
    Hansen und Müller waren jetzt neben Susanne. Müllers Haarpracht, die er immer so mühsam bändigte,

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