Mantelkinder
gebührt.“
Sie wandte sich direkt Hansen zu und sah sie von unten herauf an. „Frau Kommissarin: Sie werden den Einsatz leiten. Aber nehmen Sie ein paar Leute mit. Wenn er unser Mann ist, könnte er unvorhersehbar reagieren.“
Damit stürmte sie aus dem Zimmer und schlug krachend die Tür zu.
Hansen blickte zu Boden, jetzt ziemlich blass um die Nase. „Es wäre mir lieber, Sie würden das machen“, gestand sie leise.
„Ihr erster Einsatz in der Art?“, fragte Susanne mitfühlend. Sie konnte sich noch genau erinnern, wie ihr damals die Knie geschlottert hatten. Wenn man bei so einer Erstbefragung etwas vermasselte, konnte eine wunderschöne Indizienkette schnell zum Teufel gehen.
„Okay, Vorschlag! Sie leiten den Einsatz und der kleine Dicke hier und ich gehen als Ihre Einflüsterer und Bodyguards mit.“
Hellwein ließ sich gern als kleiner Dicker bezeichnen, wenn das Hansen ihre Sicherheit wiedergab. Auch ihm war sein erstes Mal noch lebhaft in Erinnerung. Er hatte herumgestottert wie ein Kleinkind. Die ganze Kompetenz, die er hätte ausstrahlen müssen, war dabei flöten gegangen. Danach ließ das Geständnis des Verdächtigen zwei Tage auf sich warten.
Susanne hatte ihr Ziel offenbar erreicht, denn das Gesicht von Hansen nahm wieder eine gesunde Färbung an und sie lächelte. Ob wegen des „kleinen Dicken“ oder vor Erleichterung, war egal. Hauptsache, ihr Kopf war wieder frei, das zu tun, was sie gelernt hatte.
„Ich denke, wir sollten mindestens zwei Zivilfahrzeuge vor dem Haus postieren“, sagte sie und trat vor den überdimensionalen Stadtplan hinter Hellweins Schreibtisch. Sie suchte die Aggerstraße und wollte sich mit der Umgebung vertraut machen. Für diese Details war bisher noch keine Zeit gewesen.
Als sie fündig geworden war, sog sie unwillkürlich die Luft ein. „Mein Gott, seht euch das an“, sagte sie leise.
Susanne trat neben sie und sah sofort, was sie meinte. Die Aggerstraße verlief parallel zur westlichen Seite des Gremberger Wäldchens. Von da aus musste man lediglich durch eine Bahnunterführung, an wenigen Kleingärten vorbei und befand sich direkt auf dem Parkplatz, wo Sebastian den Fiesta gesehen hatte.
Susanne rieb sich nachdenklich das Kinn. „Ich wette meinen Kopf, dass Ballmann der Richtige ist“, brummte sie. „Ich an Ihrer Stelle würde auf Nummer Sicher gehen.“
„Also zusätzlich zwei Fahrzeuge an den jeweiligen Straßenecken.“
Der kleine Müller und Hansen fuhren vorneweg, dicht gefolgt von Hellwein und Susanne. Zwei weitere Wagen starteten ein paar Minuten später. Sie würden wie zufällig die beiden Enden der Aggerstraße besetzen.
Hellwein schwieg meistens, wenn er am Steuer saß und auch jetzt sagte er kein Wort. Gleichzeitig aber strahlte er so viel Unruhe aus, dass Susanne ihn fragte: „Was ist los mit dir?“
Er ließ sich Zeit mit der Antwort, stierte nur auf die Rücklichter von Müllers Opel. Erst als sie an einer breiten Kreuzung stoppen mussten, sagte er endlich: „Wenn dieser Ballmann der Richtige ist, werden wir beide ihn vernehmen müssen, oder?“
„Wir beide, die Breitner, wahrscheinlich wird noch ein Psychologe anwesend sein, ja. — Warum?“
„Weil ich nicht weiß, wie so einen verhören soll, ohne ihm den Hals rumzudrehen.“
Die Aggerstraße war schmal und nur zur Bahntrasse hin bebaut. Auf der anderen Seite befand sich eine wilde und ungepflegte Wiese, aus der die vertrockneten Stängel des Sauerampfers wie Antennen herausragten. Müller bugsierte den Opel in die letzte freie Parklücke, beinahe vor Ballmanns Haus.
Mit einem leisen Fluch auf die Kölner Parkverhältnisse ließ Hellwein Susanne aussteigen und drehte eine Ehrenrunde.
Susanne schlenderte betont lässig zu Müllers Wagen und sah die Straße hinunter. Niemand sollte merken, wie ungeduldig sie war. Statt auf die anderen zu warten, wäre sie am liebsten gleich in das Haus gestürmt, um Ballmann nach draußen zu zerren. Nervös steckte sie sich eine Zigarette an. War es jetzt soweit? Hatten sie in noch nicht einmal vierzehn Tagen einen Fall geknackt, der so überaus kompliziert zu sein schien? Es kostete sie eine Menge Selbstbeherrschung, die aufkeimende Euphorie zu unterdrücken. Noch wussten sie gar nichts. Sie schlug den Kragen ihres Mantels hoch und zog den Kopf zwischen die Schultern, weil ein unangenehmer Wind über die Brachfläche pfiff.
Müller lehnte an der Motorhaube seines Wagens, die Arme verschränkt. Er schien die Ruhe selbst und
Weitere Kostenlose Bücher