Mantelkinder
Ballmann ab. Ich will, dass dessen Vergangenheit von oben nach unten gekrempelt wird. Ich will jeden Furz wissen, den er jemals gelassen hat.“
„Ballmann?“ Müller sah seine Vorgesetzte verwirrt an. „Aber, der kann doch nun wirklich nicht …“
„Tu einfach, was ich sage, okay? Früher oder später müssten wir sowieso da ran.“
„Du meinst, wenn sich Ballmann mit einem anderen Spinner über die blaue Kerze unterhalten hat …“, sagte Hellwein, nachdem der kleine Müller gegangen war.
„Genau das.“
„Wir sollten ihn uns nochmal vorknöpfen, findest du nicht?“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und das hellbraune Sakko klaffte vorn auseinander.
„Damit er uns wieder was vorheult?“, brummte Susanne und warf die Lesebrille auf den Tisch. „Meinetwegen! Frag die Breitner und Ketzer, damit wir uns auf eine Uhrzeit einigen.“
„Äh … Ich dachte eigentlich, nur wir zwei beiden.“
Sie hob eine Augenbraue. „Du meinst …“
„Ich meine, Ketzer pfeift uns ständig zurück, weil er denkt, Ballmanns Psyche ist ach so instabil, und Breitner hat immer die Hosen voll, ob unsere Vernehmungsmethoden auch vor Gericht anerkannt werden. Wir sollten ihn nicht mehr mit Samthandschuhen anpacken und stattdessen unsere übliche Show abziehen.“ Hellwein sah sie hoffnungsvoll an. Fast wie ein Hund, der darauf wartete, dass sie endlich das Stöckchen warf. So bieder er auch aussah, in Verhören, die er nach seinem Geschmack leiten konnte, wurde er zum durchtriebenen Fuchs. Er konnte knallhart sein und wenn nötig, lügen, dass sich die Balken bogen. Und natürlich hatten ihm die bisherigen sanften Versuche, Ballmann zum Reden zu bringen, nicht gepasst.
„Die Breitner wird uns den Kopf abreißen, Herr Oberkommissar.“
„Wenn sie dafür ein Geständnis auf dem Silbertablett bekommt, Frau Hauptkommissarin?“, antwortete er breit grinsend.
Susanne grinste zurück. „Dann lass ihn vorführen!“
Eine halbe Stunde später saßen sie Ballmann in dem schäbigen Vernehmungsraum gegenüber, in dem Sebastian seinen wichtigen Hinweis gegeben hatte. Er wirkte nervös. Mit dem Zeigefinger fuhr er unablässig durch die Brandlöcher auf der Resopalplatte und sein linkes Augenlid flatterte. Das rechte Auge war nicht mehr zugeschwollen, aber die Haut rundherum schillerte in Blau-und Gelbtönen. Beinahe erleichtert registrierte Susanne, dass sein weißes Hemd zerknittert war und sich auf dem rosigen Gesicht der Schatten eines Bartes abzeichnete.
Vor laufender Kamera ließ sie sich bestätigen, dass Ballmann zu einer Aussage bereit war und immer noch auf einen Anwalt verzichtete. Danach begannen sie beinahe übergangslos mit ihrer „Show“, wie Hellwein es genannt hatte. Abwechselnd und in kurzen Sätzen bombardierten sie Ballmann mit Fragen, Vermutungen und Beweisen. Und wie bei so vielen vor ihm, wirkte die Methode schnell.
„Ihre DNA-Probe ist positiv, Herr Ballmann“, begann Hellwein.
„Wir können also beweisen, dass Sie Claudia umgebracht haben“. Susanne.
„Wir haben Spuren, dass Claudia in Ihrem Auto und in Ihrer Wohnung war.“ Lüge.
„Was haben Sie ihr versprochen, damit sie in Ihren Wagen steigt?“
„Einen rosa Elefanten?“
„Flipper?“
„Käpt´n Blaubär?“
„Kaninchen“, flüsterte Ballmann. „Zwei Kaninchen … Weiße.“
„Kaninchen?“, echote Hellwein ungläubig.
„Mein Gott, die Möhren“, murmelte Susanne.
Ballmann sah sie an, und seine Augen leuchteten mit einem Mal. „Ja, wir wollten sie doch füttern. Sie hatte mir erzählt, dass sie sich letztes Jahr ein Kaninchen zu Weihnachten gewünscht, aber keins bekommen hatte. Da hab ich ihr gesagt, ich wüsste, wo wir zwei weiße Kaninchen finden könnten und dass sie im Wald lebten. Aber wenn wir Möhren mitnehmen, kommen sie in der Nacht aus ihrem Versteck und fressen uns aus der Hand. Außerdem …“
Er senkte den Kopf und sprach jetzt die Tischplatte an. „Außerdem musste ich doch alles mitnehmen. Das Seil, das Klebeband und so. Also hab ich einen Beutel damit gepackt und die Möhren obendrauf gelegt, damit sie die anderen Sachen nicht sehen konnte.“
In Susannes Magen begann es zu brodeln. Trotzdem gelang es ihr, mit ruhiger Stimme zu fragen: „Wie haben Sie Claudia eigentlich kennengelernt?“
Ballmann bestätigte all ihre Vermutungen. Claudia war regelmäßig an der Bank vorbeigekommen, auf der er in der Sonne saß und auf seine Schwester wartete. Das kleine Mädchen mit den Grübchen in
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