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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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warf er seine mit Pinguinen bedruckte Krawatte über die Schulter, setzte sich federnd hin und zupfte seine Hose zurecht.
    »Na«, fragte er, »wie ist heute das Karma-Klima?«
    »Katastrophal«, murmelte ich, flüchtete mich an meinen eigenen Schreibtisch und vertiefte mich in meinen E-Mail-Eingang, »fragen Sie bloß nicht weiter.«
    Wenigstens mein liebster Kommunikationskanal meinte es heute nicht so schlecht mit mir wie alle anderen. Geschrieben hatten mir der Namaste-Versand (»Sari-Pants für den Trip zu sommerlichen Kraftplätzen nur 49,90 Euro!«) sowie zwei Herren aus Südafrika, die mich als vertrauenswürdige Person für die treuhänderische Aufbewahrung eines Millionenvermögens auserkoren hatten, vorausgesetzt, ich überwies die geringfügige Bearbeitungsgebühr von 2900 US-Dollar auf ein Konto bei der Staatsbank von Nigeria.
    Berufliche Post hatte ich wenig, und mithilfe meines neuen Textbaukastens hatte ich nach einer Stunde bereits vier Antwort-Mails fertiggestellt.
    Ich ließ mir aber nichts anmerken. Heute war der ideale Tag, um beschäftigt zu tun (das konnte ich beinahe professionell, mit kleinen Aufseufzern zwischendrin und hektischen Griffen zum Telefon), ohne es im Mindesten zu sein. Ich hatte genug mit meinen eigenen Gedanken zu tun.

    Ich musste die Sache mit Siv einfach beichten. Vielleicht war die Begegnung mit Lisa-Marie ja ein Wink des Schicksals gewesen, das mir zeigen wollte: So etwas passiert, wenn man mit der Wahrheit hinter dem Berg hält und sich nicht rechtzeitig erklärt. Dabei traf mich streng genommen ja weder am Verlust der Bärchentasse noch an Mellis unerfüllter Liebe eine direkte Schuld. Egal. Ich war in beides verstrickt, ja, nahezu verheddert, und beim Ersten hatte sich die Verstrickung mit einem unschönen Riss gelöst. So etwas durfte mir nicht dort passieren, wo es wirklich wichtig war.
    Und dann, kurz vor der Mittagspause, kam mir die rettende Idee. Wenigstens hielt ich sie dafür. Vielleicht lag es ja auch an meinem Blutzuckerspiegel oder den Nachwirkungen des Bärchentassenschocks. Jedenfalls beschloss ich, Nadine eine Mail zu schreiben und ihr alles zu erzählen.
    Im Grunde war es ganz logisch. Ich musste mit einer Freundin reden, wie ich ein Problem mit einer anderen Freundin ausräumen konnte. Und Anna kam nicht infrage, mit ihrer lebenslangen Verlobung mit Technikspinner Tobi. Die Glückliche. Sie hatte keine Ahnung, wie kompliziert Liebesdinge sein konnten. Sie hatte den richtigen Mann mit siebzehn getroffen, zugegriffen und behalten.
    Nadine hingegen würde mein Dilemma sehr wohl verstehen. Und außerdem wollte ich auch ganz gern, dass sie von mir und Siv wusste. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte sie ihm auch ganz interessierte Blicke zugeworfen, damals in Werderhorst. Sollte sie ruhig wissen, dass jemand wie er Feuer gefangen hatte bei jemandem wie mir. Dass er real war und keine Kopfgeburt.
    »Hallo Sweetie«, begann ich meine Mail, »ist schon eine Weile her, dass wir gesprochen haben, und eine Menge passiert. So richtig verstehen kann ich noch immer nicht, warum Du gar nichts wissen wolltest über mich und meine neue Beziehung. Aber ich brauche dringend Deinen Rat.«
    Ich strich erst das »dringend«, dann das Wort »Rat«. Klang zu bedürftig. »Ich wüsste gern mal, was Du zu einem bestimmten Problem meinst.« Hm. Klang ein wenig geschäftlich. Aber gut. Konnte man erst einmal so stehen lassen.

    »Erinnerst Du Dich an den Yogalehrer von unserem gemeinsamen Wochenende in Ostfriesland? Groß, dunkel, kahl rasierter Schädel, tolle Grübchen? Seit ein paar Wochen sind Siv und ich nun zusammen, und ich muss sagen, ich bin so glücklich wie noch nie.«
    Ich strich das »noch nie« und machte ein »seit Langem nicht« draus. Kurz überlegte ich, ob ich es noch mal in »seit drei Monaten« ändern sollte. Ende März, die Betriebsfeier. Dann entschied ich mich dagegen. »So glücklich wie seit drei Monaten nicht mehr?« Das klang doch reichlich seicht.
    Auch wenn es die Wahrheit war.
    Ich seufzte und tippte weiter.
    »Im Grunde führen wir die perfekte Beziehung. Wir nähern uns sehr langsam und vorsichtig an, und auch Erotik ist eher ein Teil eines großen, fließenden Ganzen, das uns in allen unseren Aspekten umspannt.«
    Ich las den letzten Satz noch einmal und nickte stolz. Was für eine poetische Beschreibung!
    »Dass wir unsere Beziehung noch nicht öffentlich gemacht haben, hat zwei Gründe. Zum einen wünscht sich Siv, dass wir die Energie, die

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