Mantramänner
Unterschied ist …«
»Siebenundzwanzig Prozent!«, dröhnte Berger direkt neben meinem Ohr. »Unsere Kundenzufriedenheit ist um glatte siebenundzwanzig Prozent gestiegen.«
»Oh«, man konnte Scheiblshäuser förmlich nicken hören, mit anerkennendem Gesichtsausdruck, »das klingt beachtlich. Dann würde ich Sie, Frau Frank, jetzt gern mit meiner Sekretärin verbinden, die macht dann das Logistische. Freue mich, Sie übernächste Woche im Studio begrüßen zu dürfen. Und Putzkittel nicht vergessen! «
Er gluckste vergnügt in das betretene Schweigen hinein.
»Keine Sorge, Frau Frank. War nur’n Scherz. Den mache ich mit jedem. Also, übernächsten Dienstag in München?«
Ich blätterte hektisch in meinem Kalender. Irgendwie kam der Termin mir bekannt vor. Da war doch was, da war doch …
Ach ja. Mein Geburtstag.
Andererseits: Geburtstag hatte man immer wieder. Wenn es gut lief, achtzig bis neunzig Mal im Leben. Wer kam schon so oft ins Fernsehen? Noch dazu mit einer echten Mission?
Außerdem: Wenn die Sendung morgens war, konnte ich am Abend wieder zu meiner Party zu Hause sein. Ich musste mich nur entscheiden, mit wem ich feiern wollte.
Melli oder Siv.
»Frau Frank?«
»Äh, ja«, sagte ich, »ich musste nur kurz etwas organisieren. Logistische Probleme, Sie verstehen. Der übernächste Dienstag passt mir hervorragend.«
Wir beendeten das Gespräch, dann wandte ich mich wieder meinem Chef zu.
»Herr Berger«, fragte ich verwundert, »haben wir denn die neuen Quartalszahlen schon? Von wegen siebenundzwanzig Prozent? Gibt es das schriftlich?«
Berger winkte grinsend ab. »Evke, Sie sind vielleicht ein Herzchen. Klappern gehört zum Handwerk! Das müssten Sie doch wissen!«
In letzter Zeit war er dazu übergegangen, mich immer häufiger bei meinem Vornamen zu nennen. Wenn die Quartalszahlen wirklich so gut waren, dann würde er mir garantiert das Du anbieten.
Als ich gegen halb sechs Uhr nachmittags in Richtung Kantine aufbrach, um meine Yogalektion abzuhalten, hätte ich den Tag gern gelobt, obwohl noch nicht ganz Abend war.
Na gut, das mit der Bärchentasse war blöd gelaufen, aber dafür kam ich ins Fernsehen. Inklusive Übernachtung in einem zentral gelegenen Viersternehotel in München, weil die Sendung ja morgens im Studio aufgezeichnet wurde. Eine Stunde vor der Ausstrahlung.
So früh war ich seit unserem Yogawochenende in Ostfriesland nicht mehr aufgestanden.
Berger hatte mir anstandslos zwei Tage Sonderurlaub genehmigt mit der Auflage, dass ich den Namen Sunny Side möglichst in jedem meiner Sätze zwanglos unterbringen sollte. Ich hatte zugesagt. Notfalls konnte ich danach immer noch behaupten, dass ein übereifriger Tontechniker sie herausgeschnitten hatte.
Mit diesen Nachrichten in der Hinterhand freute ich mich plötzlich sehr auf die Verabredung mit IPS, heute Abend nach dem Yoga. Sicher konnte sie mir noch ein paar gute Tipps für den Umgang mit der Presse geben, sie war ja schließlich vom Fach. Und ich würde wetten, dass sie von meiner Einladung nach München beeindruckt war. Was sie mir umgekehrt zu sagen hatte, das konnte ich mir immer noch nicht recht vorstellen. Ob es etwas mit Anna und der Einarbeitung in die neue Stelle zu tun hatte? Hoffentlich waren es keine schlechten Nachrichten.
Die heutige Stunde widmete ich den Stellungen, die unser Gleichgewicht wiederherstellen und Standfestigkeit verleihen. Der Duft eines Sandelholzräucherstäbchens vertrieb die feinstofflichen Überreste von Baked Potato mit geheimer Speckwürfelchenzugabe, und alle gaben sich redliche Mühe, sich so versetzt hinzustellen, dass sich im »Krieger« nicht ihre Finger zwischen den Rippen des Nebenmannes verklemmten. Die Asanas im Liegen ließ ich aus, dazu wäre heute nicht genügend Platz gewesen.
Bei so viel Zuspruch konnte ich den Ausfall meiner treuesten Schülerin schon verkraften. Auch wenn es schade war, dass Lisa-Marie nicht mehr kam. Ihre spirituelle Auffassungsgabe war jedenfalls deutlich höher, als ich immer gedacht hatte. Angeblich hatte sie beim Meditieren jedes Mal den feinen Ton von tibetischen Klangschalen gehört.
Dabei hatte ich gar keine.
Vielleicht sollte ich mich einfach bei ihr entschuldigen.
Obwohl so viele mitgemacht hatten, war ich nach der Stunde relativ schnell mit dem Aufräumen fertig. Gespannt ging ich in den kleinen Nebenraum, der neuerdings als Umkleidekabine genutzt wurde.
Tatsächlich, auch IPS war hier und wechselte gerade umständlich ein weißes gegen
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