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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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präpariert.
    Mist. Er gefiel mir immer noch.
    Ich zwang mich zu einem kühlen Lächeln.
    »Irgendwie muss man sich die Zeit ja vertreiben, wenn man versetzt wird«, gab ich zurück.
    »Versetzt?«, er warf einen Seitenblick auf die Uhr über dem Tresen. »Das würde ich so nicht sagen. Ich war noch in einer sehr intensiven Arbeit mit einer Schülerin, und es wäre nicht gut gewesen, das so plötzlich abzubrechen.«
    »Ha!«, entfuhr es mir. Intensive Arbeit. Schülerin. Hatte er solche Sachen eigentlich in den vergangenen Wochen auch schon gesagt? Hatte ich einfach nicht zugehört? Nicht verstehen wollen, was völlig offensichtlich war?
    »Ha?«, er hob fragend die Augenbrauen, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Wieso ha? Und was trinkst du da überhaupt?«
    »Sekt auf Eis.«
    Er schürzte nachdenklich die Lippen. »Hm. Sollte ich vielleicht auch mal probieren. Ausnahmsweise.«
    »Ja. Trink. Du wirst es brauchen.«
    Wieder sah er mich fragend an, und ich biss mir auf die Lippen. Dass ich auch wieder meinen Mund nicht halten konnte!
    »Ich meine, vielleicht tut das ganz gut, bei dem Wetter da draußen.«

    Er lehnte sich zurück und legte Daumen und Zeigefinger auf der Tischplatte aneinander. Dann sah er mich forschend an.
    »Evke, was ist denn da gerade los bei dir? In dir?« Er beugte sich wieder vor und klopfte sacht mit seinem Zeigefingerknöchel an meine Stirn, dann an mein Brustbein. »Du wirkst so … als wärest du gerade gar nicht in der Balance. Nicht bei dir.«
    Ich lehnte mich zurück und legte auch Daumen und Zeigefinger aneinander. Irgendein Mudra, eine Fingerstellung, die Energie gab. Ich wusste zwar nicht, was für eine Art von Energie, aber ich konnte jede Form gebrauchen. In der Not war man nicht wählerisch.
    »Siv«, sagte ich langsam, »ich finde, wir sollten unser komisches Versteckspielchen langsam aufgeben.«
    »Unser Versteckspielchen aufgeben, sagst du.«
    »Ja. Diese ganze Idee von Energie, die sich potenziert, wenn man sie nicht nach draußen lässt, ich weiß ja nicht …«
    »Idee von Energie.«
    Er war offensichtlich entschlossen, diesen Teil des Gesprächs einfach auszusitzen und dabei nur meine Worte zu wiederholen. Mal sehen, wie lange er durchhalten würde.
    Und wann er sich verschlucken würde.
    »Ich habe in ein paar Tagen Geburtstag«, begann ich erneut, »und da dachte ich …«
    »Haben Sie schon etwas Schönes gefunden?« Die Kellnerin beugte sich über Siv und lächelte ihn bezaubernd an. In ihrem gut gefüllten Dekolleté baumelte ein Silberwal und lächelte auch.
    Die hatte auch noch nie etwas von Frauensolidarität gehört. Mitten in meinen wichtigsten Satz hineingrätschen und dann noch Wal mit Busen servieren.
    »Etwas Schönes gefunden?«, setzte Siv seine Echo-Antwortenserie fort. »Äh, ja.« Mit einer kleinen Verzögerung riss er seinen Blick vom Herzchakra der Bedienung los und lächelte sie fein an. »Einen grünen Tee, bitte«, sagte er, »aber nicht länger als sieben Minuten ziehen lassen.«
    »Keine Sorge«, die Bedienung schnappte sich die Teekarte, »wir lassen hier nichts anbrennen.«

    »Was ich meine«, versuchte ich den Faden wieder aufzunehmen, »also, wegen meines Geburtstags …«
    Mist. Jetzt hörte ich mich an wie damals in der zweiten Klasse, bei meinem ersten Sachkundereferat zum Thema »Wie lebt das Eichhörnchen im Winter«. Jedenfalls fühlte ich mich gerade ziemlich ähnlich.
    Noch mal mit Gefühl.
    »Ich habe am übernächsten Dienstag Geburtstag. Meinen neunundzwanzigsten. Und ich würde gern eine Einladung machen.«
    Wenn ich er gewesen wäre, hätten spätestens jetzt bei mir alle Alarmglocken zu schrillen begonnen. Aber er sah nicht aus, als hätte er das Geräusch einer Sirene im Kopf. Eher eine dieser CDs, auf denen fröhliche Frauenchöre ein Mantra nach dem anderen sangen.
    »Neunundzwanzig«, Siv zerkaute das Wort, als wäre es ein neues, exotisches Gewürz, das er vorher noch nie gekostet hatte, »eine Schwelle. Ein Übergang.«
    Ich ließ nicht locker.
    »Natürlich musst du dabei sein. Das ist ja ohnehin klar.«
    Zum ersten Mal wandte Siv seinen Blick von mir ab und beobachtete interessiert die Deckenengelchen, die im leichten Zug hin und her baumelten. Vielleicht wurde es ihm ja doch langsam ungemütlich.
    Ich setzte nach. Ich spielte meine stärkste Karte aus.
    »Und natürlich möchte ich auch, dass du endlich meine Freundinnen kennenlernst. Richtig kennenlernst.«
    Wieder keine Reaktion. Wenigstens keine

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