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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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sichtbare.
    »Weißt du«, sagte Siv und schob mit dem Finger ein paar Salzkrümel auf dem Tisch zusammen, »ich finde ja immer diese Übergangszeiten am interessantesten im Leben. Diesen Anlauf vor dem Sprung. Diesen Zustand von nicht-mehr und noch-nicht. Die Japaner sagen …«
    Ich würde nie erfahren, was die Japaner sagten. Denn erst kam die Kellnerin mit dem flachen, schwarzen Teekännchen, und dann hörte ich vom Eingang das Geräusch sehr entschlossener Schritte auf hohen Absätzen.

    Jetzt konnte er unmöglich weiter so cool bleiben.
    Und tatsächlich: Er blieb es nicht.
    »Autsch«, rief Siv und rieb sich mit der linken Hand die rechte Handkante. »Jetzt hab ich mich verbrannt.« Dann sah er tadelnd seine Teekanne an, als hätte die ihn von sich aus angegriffen.
    »Wer hat sich verbrannt?«
    Eine zuckersüße Frauenstimme schwebte über unserem Tisch, dann schlang Nadine von hinten die Arme um meinen Hals und küsste mich mit einem lauten Schmatz auf die Wange.
    »Hallo, Sweetie!«, rief sie.
    »Wenn wir gerade von meinen Freundinnen reden«, sagte ich und betonte dabei jedes Wort, »ganz zufällig ist gerade eine gekommen. Da können wir gleich mal anfangen mit dem Kennenlernen. Oder habt ihr zwei euch zufällig schon einmal gesehen? Damals, in Werderhorst vielleicht?«
    Nadine angelte mit einer Stiefelspitze nach dem nächsten Stuhlbein, dann setzte sie sich mir gegenüber.
    Es war doch deutlich angenehmer, wenn man im Verhör nicht der Verbrecher war. Sondern selbst einer der Cops. Egal, ob good oder bad.
    Nadine und ich warfen uns einen triumphierenden Blick zu. Dann fixierten wir gemeinsam Siv. Jetzt musste ihm doch klar sein, dass alles aufgeflogen war!
    Siv griff nach dem Deckel der Teekanne, hob ihn langsam an und begann, sehr gemächlich mit einem winzigen Löffelchen den grünen Blättersud im Filter umzurühren. Dann schloss er die Augen, inhalierte den Heuduft, nickte mit Kennermiene und legte den Deckel sorgfältig wieder auf. Schließlich goss er sich seine Porzellantasse voll, befingerte nacheinander sämtliche Kandiszuckerstückchen in der kleinen Glasschale daneben und entschied sich schließlich für das größte und dunkelste. Er ließ es in den Tee plumpsen, rührte um und sah uns beide undurchdringlich an, Nadine und mich.
    Schließlich öffnete er den Mund.
    »Da sitzen wir also«, sagte er.
    Wir warteten. Es kam nichts mehr.

    Nadine fand als Erste ihre Sprache wieder. »Das ist alles, was dir einfällt?«, fragte sie, eher ungläubig als wütend. »›Da sitzen wir also‹? Und das, nachdem du wochenlang dein verlogenes Spiel mit uns gespielt hast, von wegen Energie und gemeinsamen Wachstums und …«
    »Ja«, sagte er und blinzelte, als wäre er gerade aufgewacht, »aber ist denn jemand zu Schaden gekommen?«
    »Zu Schaden?«, jetzt konnte ich mich nicht mehr halten. »Übel betrogen hast du uns, alle beide! Hast den einfühlsamen Frauenversteher gegeben, während du in Wirklichkeit den Hals nicht voll kriegen konntest!«
    »Den Hals nicht voll?« Siv nippte spitzlippig an seinem Tee. »So siehst du mich, Evke? Das macht mich betroffen. Und ich kann dein Denksystem zwar nachvollziehen, aber es ist nicht meines. Schließlich habe ich nichts getan, als Wärme zu geben. Genau so viel von mir, von meinen Kraftreserven einzubringen, wie gerade gebraucht wird, ohne dass ich mich dabei verausgabe.«
    »Stimmt«, warf Nadine schnippisch ein, »verausgabt hast du dich nun wirklich nicht.«
    »Nadine«, er beugte sich vor und legte ihr gefühlvoll eine Hand auf den Unterarm, »ich habe dir das schon häufig gesagt, du musst mehr auf deine eigene Seele achten. Selbst besser haushalten mit deiner Feuerenergie. Sonst …«
    »Entschuldigung?«
    Ein Finger tippte gegen meine Schulter. Schon wieder jemand, der was von uns wollte. War ja wie auf dem Bahnhof hier. Ich fuhr unwillig herum. Der Brezenverkäufer stand hinter mir. Jetzt sah er gar nicht mehr so freundlich aus wie vorhin.
    »Hat jemand von euch sein Fahrrad an meines angeschlossen? So ein rotes Damenrad? Ich komm hier nicht weg, und dabei fang ich doch gerade erst an mit meiner Tour!«
    »Ich habe gar kein Fahrrad«, antwortete ich leicht gereizt.
    Nadine winkte nur unwirsch ab.
    »So, mein Freundchen«, sagte sie zu Siv, »jetzt hör mir mal gut zu. Du hast hier die Frechheit, mir was über meine eigene Feuerenergie zu erzählen und dass mit der was nicht stimmt. Dabei bist du nichts
als ein ganz mieser, kleiner Esocasanova, der das

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