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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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Zuschauer, unser Programmschema hat sich geändert und sie sind schon bei ›Beauty Doc – die Praxis der letzten Hoffnungen‹.«
    Weil alle lachten, blieb mir nichts übrig, als mitzulachen.
    Während Benita von Zitzewitz grußlos hinausrauschte, wies er mir den Stuhl neben Sandy zu.
    »Setz dich schon mal hin. Wir haben ja nicht ewig Zeit.« Dann hielt er in der Bewegung inne. »Du, sorry, du«, sagte er. »Ich wollte dich nicht beleidigen. Manchmal geht’s einfach mit mir durch.«
    »Keine Sorge«, entgegnete ich. »Das kenn ich.«
    Ich senkte den Kopf und nippte an meinem Tee. Plötzlich fühlte ich mich sehr nackt. Normalerweise hätte ich mir jetzt mein Handy geschnappt, um die Wartezeit mit Simsen zu überbrücken. Aber das kam heute ja nicht infrage. Um fünf vor zwölf gestern Abend hatte ich es abgestellt und war fest entschlossen, es vor Mitternacht auch nicht wieder anzumachen. Ich wollte gar nicht wissen, wer mich zu meinem Geburtstag anrief.
    Vor allem wollte ich nicht wissen, wer es nicht tat.
    Siv fiel mir wieder ein. Diese strahlende Ruhe, mit der er zwischen Nadine und mir unter der Caféhausdecke mit den fleischfarbenen Engelchen gesessen hatte. Völlig gelassen im Auge des Sturms. Wenn ich nur ein klein wenig mehr davon gehabt hätte!
    Wenn ich nur ein bisschen mehr Ahnung von Yoga gehabt hätte!
    »Und du machst also Yoga?«, fragte Sandy, während Schleibi ihr mit hellblauem Lidschatten einen Look verpasste, der selbst Abba 1975 ein wenig zu schrill gewesen wäre.
    »Ja«, sagte ich, »also, so ein bisschen wenigstens.«
    »Ein bisschen? Ich dachte, du bist hier die Expertin. Sonst hätten die dich doch nicht eingeladen, oder?«

    Die Frau ahnte nicht, wie sehr sie ins Schwarze getroffen hatte.
    Vielleicht war das meine Chance. Wenn ich jetzt noch zugab, öffentlich und vor Zeugen, dass ich im Grunde gar nichts von Yoga verstand – ob sie mich dann gehen ließen? Oder war das strafbar? Und was war das Mindeststrafmaß für Talkshow-Vereitelung?
    Es half nichts. Mir blieb nur die Flucht nach vorn.
    »Und du?«, fragte ich. »Hatha oder Kundalini?«
    Das klang zumindest ein klein bisschen nach Expertentum. Schließlich hatte ich vor sechs Monaten beide Wörter noch nie gehört.
    Sandy versuchte, den Kopf zu mir zu wenden, konnte sich aber in Schleibis eisernem Griff nicht bewegen.
    »Aber nein«, sagte sie zu ihrem eigenen Spiegelbild, »wo denkst du hin? Ich bin die saarländische Landesmeisterin im Bodystyling. 2007, 2008 und 2010.«
    Tief einatmen. Yogische Vollatmung. In drei Stufen. Und wieder aus.
    Ich konnte mir zwar nicht erklären, warum ich ausgerechnet mit dieser Frau zusammen in einer Talkshow auftreten sollte. Aber wenigstens wusste sie nicht mehr über Yoga als ich. Das war ja schon mal etwas.
    »Und wer hat 2009 gewonnen?«, wollte ich wissen.
    »Da war’s Jacqueline Kowalski. Die hatte so eine definierte Bauchmuskulatur, da konnte man den Nabel praktisch gar nicht mehr messen.«
    »Und dann?«
    »Dann hat sie den Chef vom Golden-Body-Studio geheiratet und ist schwanger geworden. Mit Zwillingen.«
    Ein Lautsprecher an der Garderobendecke begann zu scheppern. »Studio eins«, tönte eine blecherne Stimme, »die Aufzeichnung von B. scheuert beginnt in zwanzig Minuten.«
    Schleibi trat einen Schritt zurück, sah Sandy an, kniff die Augen zusammen und nickte dann beifällig. Anschließend wandte er sich zu mir und seufzte leise.
    »So«, sagte er, »bei dir machen wir einen schönen Nude Look. Ganz nädschuräl, verstehst? Soll ja ein schöner Kontrast werden.«

    »Sag mal«, fragte ich, »was bedeutet das eigentlich mit den Mantras und den Muckis? Ist das so etwas wie ein Geheimcode?«
    Er lachte und tupfte mit einem feinen Pinsel auf einer Palette von Beigetönen herum, die mich an eine fröhliche Rentnergruppe bei einem Busausflug erinnerten. Vielleicht fiel ich damit im Studio nicht so auf. Das konnte mir nur recht sein.
    »Du hast echt einen guten Humor«, sagte er, »nein, das ist doch das Motto der heutigen Sendung.«
    »Mantras oder Muckis?«
    »Genau«, mischte Jenny sich ein. »Unserem Programmdirektor war die ganze Sendung ein wenig zu brav, der wollte mehr Kontroverse. Mehr Suspense. Seit letzter Woche haben wir deshalb umgestellt auf ein eher konfrontatives Konzept. Zwei Köpfe, zwei Weltsichten. Hunde oder Katzen, Camping oder Luxushotel, monogam oder One-Night-Stands …«
    »… Muckis oder Mantras«, ergänzte ich tonlos.
    Jenny nickt erfreut. »Genau. Du hast es

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