Manuskript des Teufels
habe ich mir zu Herzen genommen‘ und viele mehr. Diese und ähnliche Redewendungen leiten über zu Zitaten von Dichtern, Denkern und Philosophen, in denen unser Herz und unsere Gefühle eine entsprechende Wertigkeit erfahren.“ Professor D’Aubert nahm von seinem einbeinigen Lesepult einige Zettel auf. „Apostel Paulus, Römerbrief 10, 9-10, sagt: ‚Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen‘. Von dem im siebzehnten Jahrhundert lebenden und von mir sehr verehrten französischen Mathematiker, Physiker und Philosophen Blaise Pascal stammen die folgenden berühmten Weisheiten: ‚Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand‘. ‚Le coeur a ses raisons que la raison ne connaît pas‘, ‚Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt‘. Folgendes stammt von Antoine de Saint-Exupéry: ‚Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar‘. Albert Einstein schwärmt: ‚Wilhelm Busch, insbesondere der Schriftsteller Busch, ist einer der größten Meister stilistischer Treffsicherheit. Und diesem einmaligen Meister haben wir folgende Weisheit zu verdanken ‚Wer in Glaubenssachen den Verstand befragt, kriegt unchristliche Antworten‘. Aber von ihm stammt auch ‚Das Schönste hier auf Erden ist lieben und geliebt zu werden‘.“ D’Aubert riskierte einen blitzschnellen Blick zu der Neuen in der dritten Reihe. „Und“, fuhr er fort, „Friedrich Nietzsche stellte in seiner ihm eigenen Genialität fest: ‚Mancher findet sein Herz nicht eher, als bis er seinen Kopf verliert‘. Professor Gerhard Roth, Forschungsschwerpunkt Kognitive und emotionale Neurobiologie, bringt es auf den Punkt: ‚Nicht die Vernunft lenkt primär unser Handeln, sondern Affekte und Emotionen‘.“ D’Aubert setzte ab und ließ seinen Blick über die Zuhörer schweifen. „Meine Damen und Herrn, selbst in ihrem noch jungen Leben werden sie schon oft beobachtet haben, dass es für viele Entscheidungen und Handlungen keine vernünftigen Gründe gab. Bedenken sie, und das sollte vor allem für sie als Studenten der Theologie gelten, dass Herzensbildung und emotionale Intelligenz für Menschlichkeit und Zwischenmenschlichkeit von weitaus größerer Bedeutung sind als die größte Ansammlung von Fachwissen.“ D’Aubert ließ seine Worte eine Weile wirken. „Nun noch ein Zitat aus dem Buch ‚Die wundersame Holzbank‘ von Bert Saurbier: ‚Selbst der hellste menschliche Geist, der das Universum bis in seine entferntesten Grenzen ausleuchten könnte, wäre nie und nimmer in der Lage, einen diesseitigen Blick in eine jenseitige Dimension zu werfen‘. Heute möchte ich es dabei belassen. Machen sie sich, sozusagen als Haus-aufgaben, Gedanken über die Thematik, die wir mit unseren Blitzlichtern beleuchtet haben. Denken sie mal darüber nach, dass das Herz Gott viel näher kommt als der Verstand.“
D’Aubert schaute seine wenigen Zuhörer der Reihe nach an und dann auf seine Armbanduhr. „Wir haben noch etwas Zeit übrig. Haben sie noch Fragen?“ D’Aubert empfand es als Anerkennung, dass er und seine Beiträge als ansprechend angenommen wurden, wenn sich aus der vorgetragenen Thematik noch vielfältige Fragen ergaben.
Die folgende Diskussion ließ den Nichtstudenten Darling nicht unberührt. Es reizte ihn geradezu, ebenfalls die Hand zu heben, um eine Frage stellen zu dürfen. Schließlich war er durch die umfangreichen Vorbereitungen in dieser Sache nicht unbefangen.
D’Aubert freute sich über das Engagement des jungen Journalisten und sah darin den geschickten Versuch, an dieser Stelle bereits das Interview einzuleiten. „Bitte sehr, ich bin gespannt auf die Frage der Stimme aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten.“
„Professor D’Aubert, kann es sein, dass Sie uns mit den vorgetragenen Zitaten, Redensarten und Volksweisheiten auf etwas Bedeutsames, vielleicht sogar auf einen dramatischen Irrtum aufmerksam machen wollten? Ich jedenfalls habe zum ersten Mal in meinem Leben darüber nachgedacht, dass die wertvollste Herzensangelegenheit der Menschen, der Glaube an Gott und an ein ewiges Leben, viel zu sehr von Heiligen Schriften, Religionen und Kirchen bestimmt oder sogar gegängelt wird?“
D’Aubert stutzte und zog die Augenbrauen hoch. Worauf wollte Darling hinaus? Und wie kam er überhaupt auf eine solche Interpretation?
Doch Darling war nicht zu bremsen und fuhr fort: „Also von autoritären Größen, die allesamt
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