Manuskript des Teufels
so dass ich Ihnen fast auf den Leim gegangen wäre.“ D’Aubert schaute Darling eindringlich an. „War es die Begeisterung für das Thema der Vorlesung oder Ihr Geltungsbedürfnis, das Sie unvorsichtig werden ließ? Vermutlich beides. Aus Ihren Fragen und Argumentationen ist leicht abzuleiten, dass Sie Insider-Informationen über mein letztes Manuskript erhalten haben. Habe ich recht? Die Stoßrichtung weicht zu weit von dem angekündigten Interviewthema ab. Sie, Mister Darling, zielen auffallend direkt auf das aktuelle Manuskriptproblem hin. Sagen Sie jetzt bitte nicht, Sie hätten von der kontroversen Diskussion über mein Manuskript noch nie etwas gehört.“
Darling schüttelte den Kopf. „Sie irren sich, ich ... ich weiß nicht, wie...“, stammelte Darling. Doch es wurde ihm in diesem Augenblick klar, dass seine Rolle ausgespielt war. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Warum war er so voreilig gewesen? Hatte ihn D’Auberts eindrucksvolle Persönlichkeit verleitet, leichtsinnig zu werden? Er hätte sich ohrfeigen können. Verdammt, so etwas hätte einem CIA-Mann nie passieren dürfen.
„Keine Sorge, Herr Darling. Auch ohne diesen Fauxpas wäre es Ihnen nicht gelungen, mich auszuhorchen.“
Stephan D’Aubert wusste nicht, wie viel Cleverness der junge Mann mit ins Spiel brachte und wie er an eine Quelle herangekommen war, die Informationen über das Manuskript besaß. Er vermutete einen Hintermann oder gar einen Auftraggeber, der Darling auf ihn angesetzt hatte.
„Herr D’Aubert“, durchkreuzte Darling seine Gedanken. „Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin, aber...“
„Nichts aber! Sie wissen viel. Zu viel für meinen Geschmack. Ich möchte unser Gespräch beenden. Und zwar sofort. Darf ich Sie bitten zu gehen! Und nehmen Sie für Ihre Auftraggeber folgende Information mit: Ich habe vor kurzem eine eidesstattliche Erklärung hinterlegt, keine Zweitschrift des Manuskriptes anzufertigen und alle gespeicherten Duplikate unwiderruflich zu löschen. Das einzige Manuskriptexemplar wird sicher aufbewahrt. Die hohen Herren in den Staaten brauchen sich keine Sorgen über eine religiöse Revolution mit all ihren verheerenden Auswirkungen auf das Sozialgefüge ihres Landes zu machen. Abraham Darling, oder wie immer Sie heißen mögen, Sie sind mir nicht unsympathisch. Der unglückliche Verlauf unserer Begegnung tut mir aufrichtig leid. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise.“
Darling schaute ihn verblüfft an. „Professor D’Aubert, ich… , jetzt kann ich wohl offen reden, ich würde ausgesprochen gern Ihr Manuskript lesen. An Ihrer Stelle hätte ich keinen Eid darauf geleistet, die Forschungsergebnisse der Welt vorzuenthalten. Ich glaube, dass Religion nicht nur, wie Karl Marx es ausgedrückt hat, Opium für das Volk ist, sondern eher die Funktionen eines vegetativen Nervensystems im Staat übernimmt. Dies, lieber Herr Professor, ist der Grund dafür, dass auch führende Politiker versuchen werden, Ihren Aufruf zur religiösen Revolution im Keim zu ersticken.“ Er legte eine kurze Pause ein. „Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute. Und natürlich, dass Sie Ihre Forschungen weiter betreiben können. Und noch eines: Fragen Sie mich bitte nicht, in wessen Auftrag ich arbeite.“
Abraham Liebling drückte zum Abschied die Hand von Professor D’Aubert. Sein Gesichtsausdruck schien zwie-gespalten. Einerseits zeigte sich eine gewisse Zufriedenheit, diesem genialen Professor D’Aubert begegnet zu sein, andererseits wusste er nur allzu gut, dass er versagt hatte. Den allerersten Einsatz total vermasselt! Das würde Konsequenzen nach sich ziehen, auf die er nicht erpicht war.
Eine halbe Stunde später schickte Liebling von seinem Hotelzimmer per Handy eine kurze Meldung an die CIA-Zentrale: ‚Ziel nicht erreicht, Rückflug noch heute Abend.’
Auf dem fast achtstündigen Rückflug mit einer Maschine der Delta Airlines rief sich Liebling das Gespräch mit D’Aubert noch einmal in Erinnerung. Er hatte seinen ersten Einsatz gründlich in den Sand gesetzt. Aber das gefürchtete Manuskript war für niemanden mehr zugänglich und der sympathische Professor war ein aufrichtiger und glaubhafter Mann. Während der vielen Stunden in über zehntausend Meter Höhe fühlte sich Liebling überraschend wohl im Bannkreis der Thematik der Vorlesung und des Gespräches mit diesem Professor. Warum fühlte er sich gar nicht von der Frage überrumpelt, die sich ihm aufdrängte: War der
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