Manuskript des Teufels
glitten vorbei an zahlreichen Dörfern wie Maasholm, Kappeln, Arnis, Sieseby, Lindaunis und Missunde. Typisch norddeutscher Charme in ländlicher Idylle. Man beschloss einigen Ortschaften in den kommenden Tagen einen Besuch abzustatten.
Kirschbaum stöhnte, denn er erkannte, dass Arbeit und Vergnügen nur schwer unter einen Hut zu bringen waren.
Am nächsten Tag unternahmen sie einen ausgiebigen Spaziergang entlang der bizarr gewundenen Ufer der Schlei und kamen mit einigen Petri-Jüngern ins Gespräch. Sie erfuhren von den leidenschaftlich begeisterten Angler, dass diese Ostsee-Förde zu den fischreichsten Angelgründen Deutschlands gehöre. Vor allem Aal, aber auch Barsch, Butt, Hecht und sogar Hering stünden hier üppig auf der Tageskarte.
Kirschbaum scheute während der folgenden Tage keinerlei logistischen und finanziellen Aufwand, eine abwechslungs- und erlebnisreiche Zeit zu gestalten. Am ersten Tag der letzten gemeinsamen Woche führte sie die Fahrt mit Kirschbaums Limousine zum Naturschutzgebiet Vogelfreistätte Oehe-Schleimünde. Diese Naturschutzone entsprach einer 122 Hektar großen Landzunge zwischen Ostsee und Schlei, die ganzjährig für Menschen gesperrt war. Das Grüppchen hatte jedoch das Glück, an einer der seltenen vom Vogelwart des Schutzvereins Jordan angebotenen Führungen teilnehmen zu können.
Kirschbaum wollte an diesem idyllischen Tag die Gelegenheit nutzen, um in diesem Biotop, das eine große Schar an Vögeln beherbergte, seinen Auftrag voran zu treiben. Aber immer, wenn er versuchte, das Gespräch auf den engsten Freundeskreis der Blumbergs zu lenken, kam etwas dazwischen.
Erst die Idylle dieses Biotops. Dann der malerische Fischerort Maasholm mit seinen landestypischen, historischen Fachwerkhäusern und einer mannshohen Bronzeplastik, die einen Aalstecher bei seiner Arbeit darstellte. Schier unerschöpflich waren die Motive für Erinnerungsfotos.
Die Tagesprogramme füllten die gemeinsame Zeit derart aus, dass Kirschbaum kaum Gelegenheit fand, den Blumbergs unauffällig Interna, vor allem über ihre Freundschaft zur Familie D’Aubert, zu entlocken.
Die Tage verflogen und Kirschbaum hatte noch nichts erreicht. Langsam wurde es Zeit. Am vorletzten Tag stand die Besichtigung des dänischen Schlosses Sonderburg auf dem Programm, einem der ältesten Backstein-Bauten Südjütlands. Es umschloss mit vier dreistöckigen Flügeln einen großen Innenhof und dient heute als Museum der gemeinsamen Geschichte Südjütlands und Nordschleswigs.
Die Blumbergs waren wieder begeistert bei der Sache. Andächtig bewunderten sie das Schloss. Besondere Aufmerksamkeit widmeten sie dem riesigen Rittersaal und der von Dorothea von Sachsen-Lauenburg-Ratzeburg erbauten Renaissance-Schlosskapelle. Die meisten Räume befanden sich in ihrem Urzustand.
Die Stunden verrannen. Abends saßen sie im Spezialitäten-Restaurant und Landgasthaus ‚Alt-Sieseby‘ mit freiem Blick auf die Schlei. Der Charme dieses Kleinods der Gourmet-Küche, der feierlich eingedeckte Tisch und die lukullischen Hochgenuss versprechende Speisekarte hätten eigentlich Anlass für ausgelassene Hochstimmung sein können. Aber Kirschbaum hatte wieder nichts Näheres heraus bekommen.
Während des Essens überlegte er, wie er eine letzte Offensive starten könne. In der Runde machte sich bald so etwas wie Trauer, Wehmut und Deprimiertheit bemerkbar. Alle schwiegen.
Claire war es, die die wortlose Pause beendete: „Lieber Efraim, vielen Dank, dass du uns beiden Alten einen so lebendigen Urlaub beschert hast. Wir möchten dich heute zum Abendessen einladen. Heute bist du unser Gast.“
Fritz schaute überrascht auf: „Aber, wenn Efraim bezah…“
„Fritz“, wurde er barsch von seiner Angetrauten unterbrochen. „Sei still! Du bist mal wieder unmöglich. Hör nicht auf diesen verrückten Kerl, Efraim.“ Kirschbaum lächelte.
Claire nahm die Speisekarte: „Oh, Grüner Aal, leicht meliert mit braun gebratenen Pellkartoffeln und heißer Butter abgeschmeckt. Könnte mein Leibgericht werden!“
Fritz‘ Augen weiteten sich. „Hast du mal auf den Prei…“ Weiter kam er nicht, denn Claires Blicke waren wie Blitze, die ihn unmittelbar verstummen ließen.
Er wandte sich an Kirschbaum. „Ich weiß, ich wirke manchmal wie ein ausgemachter Geizhals. Was übrigens nicht stimmt, nein! Und heute schon gar nicht. Ich bin aber traurig. Unser letzter gemeinsamer Abend. Nichts als nur schöne Erinnerungen und einige Fotos werden bleiben.
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