Manuskript des Teufels
Ach, Efraim, wir danken Gott und dem Schicksal, dass wir einen so liebenswerten und angenehmen Menschen wie dich kennen lernen durften. Wir werden noch oft an dich denken. Wenn ich mich jetzt nicht zusammenreiße, könnten mir altem Haudegen doch tatsächlich Tränen in die Augen schießen.“
Kirschbaum verspürte ein aufkommendes Unwohlsein über die Zwiespältigkeit seiner Gefühle. Er hatte eiskalt berechnend versucht, die Freundschaft dieser beiden, ihm bis dahin völlig fremden Menschen zu erobern. Und dann begegnete ihm diese spontane, aufrichtige, ehrliche und von Herzen kommende Zuneigung der beiden liebenswerten Alten.
Aber Kirschbaum war kein herzloser Roboter. Nein, er konnte und wollte sich nicht selbst belügen. Im Gegenteil, er war froh, zulassen zu können, dass auch er die beiden, die da an seinem Tisch saßen, lieb gewonnen hatte.
Er ergriff mit seiner Linken die Hand von Claire, mit seiner Rechten die von Fritz und drückte sie fest: „Meint ihr, mir erginge es anders? Ich denke schon den ganzen Tag darüber nach, wie wir unsere Freundschaft weiter fortsetzen können.“ ‚Verdammt’, gestand er sich ein, ‚die Gefühle als Marionetten des Verstandes’.
Claire und Fritz schauten sich plötzlich mit einem Lächeln an und schienen sich zu verstehen. „Uns ist ein guter Gedanke zugeflogen“, sagte Claire. Sie zog ihre Hand zurück, um diese frei zu haben, damit sie das, was sie jetzt zu sagen hatte, mit Gesten untermalen konnte. „Wir beide feiern genau heute in 14 Tagen unsere Goldene Hochzeit. Und du lieber Efraim, bist von ganzem Herzen eingeladen. Es wäre uns eine große Ehre, wenn wir diese Feier im kleinen Kreis mit dir als Gast bereichern dürften. Die Festtagsrunde besteht nur aus einem, seit vielen Jahren mit uns sehr eng befreundeten Ehepaar und ihrem Sohn.“
Kirschbaum spitzte die Ohren. Sein Ziel schien jetzt zum Greifen nahe.
„Der Sohn wäre sicher für dich ein hochinteressanter Gesprächspartner“, setzte Claire ihre Rede fort.
„Inwiefern?“, tat Kirschbaum ahnungslos.
„Er ist Professor, theologischer Dozent und Wissenschaftler an der Hochschule Bonn und schreibt Bücher“, erklärte Fritz.
„Ach so“, erwiderte Kirschbaum. „Ja, wenn das so ist. Bücher verfassen und verlegen, das passt zusammen “ Das war die Gelegenheit, frohlockte er, auf die er nahezu 14 Tage hatte warten müssen. Nur: Konnte er tatsächlich diese neu entstandene Freundschaft derart missbrauchen? Wie gerne hätte er in diesem Augenblick die Bühne des zwiespältigen Dramas fluchtartig verlassen.
Aber das verbot die Räson gegenüber den israelischen Partnern.
Darüber hinaus war er sich sicher, dass ein aus seiner Sicht ehrlicher Abbruch dieses Schauspiels den beiden lieben, herzensguten Menschen eine schmerzhafte Enttäuschung bereitet hätte.
Also wurde ihm die Entscheidung leicht gemacht. Er konnte sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits gehorchte er seinem „Großen Bruder“, andererseits hörte er auf sein Herz.
Kirschbaum sagte mit ehrlicher Überzeugung und echt empfundener Warmherzigkeit zu.
34
Das scheinbar überlaute Klingeln des Telefons empfand Jekatharina als extrem unangenehm. Orientierungslos tastete ihr Arm umher. Bleischwer fühlte er sich an. Nur mit allergrößter Mühe gelang es ihr, die Augenlider zu heben.
Als sie den Kopf zur Seite drehte, zuckten schmerzhafte Blitze vom Nacken bis zur Stirn. Der Drehschwindel ging in Übelkeit über.
Mein Gott, dachte sie, ist mir schlecht. Was ist denn nur passiert?
Mit letzter Kraft nahm sie den Telefonhörer: „Ja“, stöhnte sie mit rauer Stimme.
„Entschuldigen Sie bitte die Störung, ich bin Frau Ronig von der Rezeption. Wir haben 14 Uhr. Ich wollte nur fragen, ob Sie heute noch abreisen. Wenn Sie möchten, können Sie natürlich gerne Ihren Aufenthalt verlängern.“
„Verzeihung, ich habe wohl verschlafen. Mir geht’s im Moment nicht so gut. Verlängern ist gut. In einer Stunde komme ich runter, dann können wir alles klären.“
„Entschuldigung“, intervenierte die Dame von der Rezeption, „können wir ihnen helfen? Möchten Sie, dass wir einen Arzt rufen?“
“Nein, nein! Danke, es wird mir gleich wieder besser gehen.“
Jekatharina legte auf und versuchte, sich zu erinnern. Was war gestern Abend mit ihr geschehen? So sehr sie sich auch mühte, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen und erinnerte sich an rein gar nichts.
In diesem Augenblick fiel ihr der Begriff
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