Mappa Mundi
schwachen Licht einen Ausweis des Verteidigungsministeriums aufblitzen.
Der Mann, der Dans Mantel noch in den Fingern hielt, wich einen Schritt zurück und ließ ihn fallen. Seine Blicke zuckten hin und her, er suchte nach einem Fluchtweg, doch der jüngere Mann bedrohte ihn mit einer Pistole, daher hob er, anstatt eine Dummheit zu begehen, vorsichtig die Hände und maß sie alle mit einem kalten, durchdringenden Blick.
»Mr Connor, wohin wollten Sie?«, fragte die Frau mit müder Stimme.
»Wir leben in einem freien Land«, entgegnete er schwach.
»Aber Sie sind kein freier Mann«, erinnerte sie ihn. »Ihnen ist jeder Kontakt zu Doktor Armstrong untersagt. Wollten Sie etwa zu ihr?«
Dan bemerkte, dass er plötzlich errötete. »Ich muss unbedingt …«
»Gehen Sie nach Hause, Mr Connor«, sagte der Mann. »Agent Day ruft Ihnen ein Taxi.«
Die Frau hantierte mit ihrem Pad, während ihr Begleiter Dans Angreifer neue Fragen zubrüllte.
Dan blickte auf die stille, vormorgendliche Stadt. Bei dem Gedanken, in die Wohnung zurückzukehren, zum letzten ungeschrubbten halben Quadratmeter, schwand ihm der Mut. Arbeit und Leere lagen drohend vor ihm, Tage und Nächte, in denen er beobachtet wurde, angebunden wie ein Hund und schließlich verhaftet. Vielleicht kam er ins Gefängnis. Natalie flog schon bald.
Während die anderen miteinander beschäftigt waren, erkannte Dan seine Chance. Er wirbelte herum, so schnell er konnte – dabei schoss ihm ein scharfer Schmerz durchs Knie –, packte die eiserne Geländerstange, warf das eine Bein hoch, zog das andere nach und sackte plötzlich ab.
Bevor er wusste, wie ihm geschah, landete er im Wasser. Es war viel kälter und sandiger, als er geglaubt hatte. Wild schlug er um sich und brach durch die Oberfläche. Er fand sich unweit des gegenüberliegenden Ufers wieder. Er versuchte näher zu schwimmen, doch seine Schuhe waren schrecklich schwer, und sein Knie sandte feurige Stiche aus, die so heftig waren, dass ihm die Tränen in die Augen traten. Er musste zusehen, wie die Brücke langsam und unerbittlich über ihm hinwegzog. Er versuchte noch immer, das Ufer zu erreichen, doch seine Beine waren in einer schnelleren, tieferen Strömung gefangen. Sie rissen ihn herum und zogen ihn weiter nach außen. Etwas Weiches zerrte träge an seinem Fuß.
Während er darum kämpfte, den Kopf über Wasser zu halten, vermeinte er einen Schuss und laute Rufe zu hören. Dann platschte es noch einmal.
Unwichtig – er musste weiter versuchen, ans Ufer zu kommen. Und das tat er, während er am Radweg und an den Lagerhäusern vorbeigetrieben wurde, bis der Weg nach Bishopsthorpe abbog. Dort gelang es Dan, sich am Schilf festzuhalten, das am Ufer wuchs, und wie ein Fisch hing er in der kalten, beißenden Strömung. Als er versuchte, sich an Land zu ziehen, sah er Hände und einen ungeschlachten Kopf, die sich ihm unaufhaltsam durch das schwarze Wasser näherten.
Suchend fand Dan endlich Erde und Schlamm unter seinen Händen. Seine Füße scharrten über die scharfkantigen Ufersteine, und er schob sich aus dem Wasser. Laut quakend umflatterten ihn aus dem Schlaf gestörte Enten. Dan stand auf, brach aber sofort wieder zusammen: Sein Knie gab unter ihm nach. Heiß sandte es Höllenqualen durch seinen ganzen Körper.
Er würgte Wasser hervor und schüttelte sich. Sein Pad lag immer noch auf der Brücke. Der Mann kam näher.
Dan war so verdammt wütend auf sich. Noch gründlicher hätte man es wirklich nicht vermasseln können. Was war er doch für ein erbärmlicher, dämlicher, sauarmseliger Totalversager. Wahrscheinlich hatte er es nicht anders verdient. Trotzdem: Natalie verdiente es besser, und er musste sie vor Shelagh Carter und ihren Methoden warnen, bevor es dazu und auch für ihn selbst zu spät war.
Er drehte sich auf den Bauch, erhob sich auf die Hände und ein Knie und begann, auf die fernen Lichter der Bishopsthorpe Road zuzukriechen.
Er hatte noch nicht den harten Asphalt erreicht, als er hinter sich Platschen und Grunzen hörte. Der Agent holte ihn mühelos ein, setzte Dan einen Fuß in den Nacken und drückte ihn ins Gras.
»Ich glaube, für heute Nacht hast du mir Ärger genug gemacht«, sagte die tonlose Stimme, als gäbe es nicht Uninteressanteres.
Dan machte sich auf einen Tritt gefasst, der jedoch ausblieb. Er hörte, wie der Agent jemanden anrief, der ihn aufsammeln sollte, und dann wurde ihm sämtliche Luft herausgequetscht, als der Kerl sich schwer auf seinen Rücken
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