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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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York. Näher als hier am schlammigen Gras könne sie ihm nicht mehr kommen.
    Diese Eingebung und den Wächter ignorierend, wandte sie sich flussabwärts und ging weiter. Sie war noch immer ziemlich weit von ihrer Straße entfernt, als sie an der Ecke eine dicke Traube abgestellter Polizeiwagen entdeckte, von zahlreichen Gestalten umstanden. Sie wollte zu ihnen gehen und Fragen stellen, doch ein deutliches Unbehagen hielt sie im letzten Augenblick davon ab, sich in ihre Richtung zu wenden. Stattdessen wechselte sie auf eine Parallelstraße und näherte sich wieder ihrem Haus. Jedes Mal, wenn sie um eine Ecke bog und außer Sicht verschwand, hörte sie ihren Wächter herbeieilen.
    Sie wusste, dass Dan nicht in der Wohnung war. Vielleicht war er Einkaufen, dachte sie, und suchte ihn im Laden, doch dort hielten sich nur der Kassierer und eine Putzfrau auf, die lustlos den Boden zwischen den Zeitschriftenständern wischte und Natalie begrüßte. Es fiel ihr sehr schwer, den Laden wieder zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen, denn sie wusste, dass sie diese Menschen niemals wiedersehen würde.
    Also, dachte sie, siehst du es endlich ein? Er ist weg. Weg. Ein Schauder durchlief sie vom Scheitel bis in die Zehenspitzen. Wenn die Polizei Dan nicht hatte, wo konnte er dann sein?
    Der Morgen dämmerte hell, als sie das Haus wieder erreichte. Natalie war verwirrt und ihr fröstelte. Sie zog die Schuhe aus, ließ sie in der Diele und ging nach oben in das Zimmer, das ihrer Mutter gehört hatte. Das Erkerfenster überblickte die Rennbahn; darunter war eine kleine, gepolsterte Sitzbank, auf der Natalie Platz nahm. Sie starrte auf das Gelände, das sie durchquert hatte, und versuchte zu begreifen, was wortlos und spurlos vor sich ging. Immer wieder trat ihr das Bild des schwarzen Wassers und des schlammbeschmutzten Bodens vor Augen, der Geruch nach feuchter Erde und nach … nach Fußbodenreiniger. Jawohl, nach Schmierseife, der ein aufdringlicher Duftstoff beigemischt war, der an eklig-süße Blumen erinnerte.
    Wo war Dan? Natalie wusste keine Antwort. Wenn Dan im Fluss gewesen und gestorben war … doch Natalie glaubte nicht, dass er tot war. Sie empfand nicht diesen Schlag in den Magen, den sie gespürt hatte, als man ihr den Tod ihrer Mutter mitteilte; schon beim ersten Wort hatte sie es gewusst und nicht erst, als alles gesagt war. Die Gründe waren Nebensächlichkeiten gewesen, absurde Details, die eine bedeutende, unerschütterliche Tatsache ausschmückten. Später wurden die Gründe und Einzelheiten zum einzig Wichtigen; die letzten Zusammenhänge und Erklärungen, die eine erzählte Geschichte krönten, deren Ende so unerwartet und knapp war, dass alles wertvoll erschien, was sie aus ihrer grauen Banalität erhob.
    Natalie wandte ihre Aufmerksamkeit ab und blickte sich in dem Zimmer um, dessen weiches Grau gerade erst von der Wärme Farbe bekam.
    Ein verzierter Regalschrank stand an der Wand, in den Mäuse und Weinranken geschnitzt waren. Darin fand sich eine komplette Sammlung des Tatlers seit 1980. Die Vogue war in Kisten verpackt und auf dem Dachboden abgestellt. Die Zeitschriften, für die Charlotte geschrieben hatte – Hello! und Abroad – wurden nicht so privilegiert behandelt und lagen in unordentlichen Stapeln herum oder wurden in Pappkartons aufbewahrt, die von einem Staubfilm bedeckt waren, weil die Putzfrau von Natalies Vater genauestens eingewiesen worden war, was berührt werden sollte und was nicht, und sie hatte die Anweisungen buchstabengetreu befolgt.
    An uralten Klebepads hafteten Postkarten aus aller Welt auf der Tapete. Als Kind hatte Natalie sie dort als Erinnerungsstücke angebracht, damit ihre Mutter sie sah, wenn sie von ihren häufigen Reisen zurückkehrte, und ihr ruheloser Geist ein wenig Ruhe fände und ihr gestattete, zu Hause zu bleiben. Dieser Zauber hatte leider nicht gewirkt.
    Natalie holte ein Bild von New York herunter und drehte es um.
    Liebe Nat, habe einen anstrengenden Tag hinter mir: erst Führung durch den Verlag, dann Treffen mit den vielen wichtigen Leuten. Jetzt ist es spät, und ich schreibe dies, bevor ich meinen Entwurf durchtelefoniere; habe ein tolles Kleid gesehen und musste sofort an Dich denken – schicke Dir ein Paar Schuhe mit der Post, aber wahrscheinlich bin ich wieder da, ehe sie ankommen! Alles Liebe, Mum.
    Zwischen den Regalen hingen Charlottes dilettantische Fotos in billigen Rahmen. Natalie besah sich einen verblichenen Abzug des Reichenbachfalls,

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