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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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mit ihrem zunehmenden Trend zu quasi-diktatorischen rechtlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen von den militärischen Supermächten finanzieren. Mappa Mundi stellte den Gipfel seiner jahrelangen harten Arbeit dar, ein Werkzeug, mit dem er Einzelpersonen gestatten wollte, ihr Schicksal selbst zu wählen und ihre Persönlichkeit und ihr Bewusstsein gegen eine Entwicklung zentralisierter Kontrollverfahren zu verteidigen, die er als unausweichlich betrachtete.
    Natalie sah nicht das ganze Bild auf einmal, aber sie begriff, was es kurzfristig für sie bedeutete: Entweder wurde sie in die Privatarmee eingezogen, die Guskow aufbaute, um seinen Traum zu vollenden, oder sie wurde zu einer Laborratte, die den Regierungen diente – und auch dann wurde sie möglicherweise sein Opfer. Sie hatte die Wahl, und es gab keine dritte Möglichkeit. Das ungeschriebene Gesetz der Omertà durchdrang jeden einzelnen Vorschlag in dem Dokument. Ob sie wollte oder nicht, sie nahm nun an diesem Spiel teil.
    Als sie das Pad wegsteckte, fragte sie sich augenblicklich, ob Guskow beim Experiment mit Bobby die Hand im Spiel gehabt haben konnte; für einen Menschen wie ihn ging nichts zu weit. Wenn ja – beschränkte sein Interesse an ihr sich vielleicht auf eine Rolle als Versuchskaninchen? Zu viele Fragen und keine Antworten: Selbst wenn Guskow Erfolg hatte und Mappa Mundi die Folgen zeitigte, auf die er hoffte, wie wollte er es denn verteilen? Wie wollte er genügend NervePath in die Hände bekommen? Wie wollte er dem aufmerksamen Auge der Behörden ausweichen? Wie, wie, wie?
    Sie entschied, dass Jude sich nun wirklich keine Gewissensbisse zu machen brauchte, weil er sie in diese Sache hineingezogen hätte – sie steckte schon seit langem mit drin. Und auch andere waren darin verwickelt – zum einen natürlich ihr Vater, der es niemals für nötig gehalten hatte, sie in die Langzeitziele des Projekts einzuweihen, falls er sie überhaupt selbst kannte. Und zum anderen Dan.
    Wo steckte Dan nur?
    Natalie kehrte in die Diele zurück und ging zwischen zwei dunkel gekleideten, bewaffneten Polizeibeamten zum wartenden Wagen. Sie war es leid, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Wenn sie sich Guskow anschloss, dann nur unter ihren eigenen Bedingungen.
    »Fahren Sie mich zuerst zur Klinik«, verlangte sie. »Ich habe etwas vergessen.«
    Die Polizisten erhoben Einwände, doch Natalie bestand darauf und erklärte es sei sehr wichtig – sie habe aus Versehen vergessen, sich einen Quelltext zu kopieren –, und so brachte man sie in ihr Büro. Während sich der Beamte, der sie begleitete, gelangweilt umsah, kopierte Natalie demonstrativ etwas aus dem Computersystem der Klinik und durchsuchte dabei insgeheim ihren Schreibtisch. Den Polizisten zu täuschen war ein Kinderspiel. Er achtete eigentlich gar nicht auf sie.
    Natalie suchte nach ihrem zweiten Pad und fand es mühelos. Nachdem sie den Staub abgewischt und die Batterie geprüft hatte, legte sie es vor das neue Pad und lehnte sich auf den Sendeknopf, während sie sich zum Schreibtischcomputer vorbeugte. Das neue Pad kopierte so viel es konnte in das alte, ließ aber sämtliche persönlichen Identifikationsdateien und Auto-Registraturprotokolle aus. Auf dem alten Pad befanden sich Zugriffskodes, die das Ministerium garantiert nicht mehr überwachte, und statt auf den Erewhon-Service war es darauf programmiert, Nachfragen und Anrufe über einen anderen Datapilot weiterzuleiten.
    Es dauerte nur Sekunden, ihr Benutzerkonto im Klinik-System zu schließen. Sie hielt ihr übliches Pad hoch, winkte damit und sagte grinsend: »Jetzt habe ich sie. Entschuldigen Sie.« Während sie ihr altes Pad unauffällig in die Tasche gleiten ließ, fügte sie hinzu: »Ich muss noch kurz aufs Klo, dann fahren wir, okay?«
    Die Flucht über die Toilette musste der älteste Trick der Welt sein, doch Natalie war sich im Klaren, dass sie keine bessere Chance bekommen würde. Die Polizisten glaubten schließlich, sie käme freiwillig mit ihnen, und der Beamte, den man zu ihrer Bewachung abgestellt hatte, kam nicht einmal auf den Gedanken, er müsste bei ihr nach Anzeichen für eine Täuschung Ausschau halten.
    »Okay«, sagte er achselzuckend. »Aber beeilen Sie sich. Wir sind spät dran.«
    »Sicher.« Sie ging schnurstracks zur Damentoilette und wusste es plötzlich sehr zu schätzen, dass sie im Erdgeschoss gearbeitet hatte.
    Das Toilettenfenster aus Milchglas öffnete sich auf den Innenhof, wo die Müllcontainer für sämtliche

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