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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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– eine Anweisung, der er gehorchte, ohne Natalie auch nur anzusehen. Sie hörte ihn zur Tür schlurfen und unterdrückt aufschreien, als einer von Rays schweren Jungs ihm im Vorübergehen eine runterhaute.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte Ray mit liebenswürdigem Lächeln, während er sie mit der Hand aufforderte, auf dem freien Stuhl Platz zu nehmen; seine Körpersprache war die eines reichen Mannes, der einen Freund willkommen heißt, doch in seinen blauen Augen spiegelte sich die Herzensgüte einer Klapperschlange.
    »Ich bin mit Dan Connor befreundet«, sagte sie, drehte den Stuhl um und setzte sich rittlings darauf. Sie war froh, dass sie heute ihren Lederrock und nicht eine ihrer Laborhosen trug.
    »Ach ja?«
    »Sie wissen nicht zufällig, wo er steckt?«
    »Was ist es Ihnen wert?« Ray winkte nach Trinkbarem. »Für Sie auch was?«
    »Nein.« Sie erhaschte einen Blick auf seine dicken Finger und drei Siegelringe aus Gold, einer von ihnen ein alter Sovereign.
    Geschmacklos, aber wenn er einen damit schlug, tat es vermutlich ziemlich weh. Sie sah schon, dass er nicht mehr über Dan wusste als sie, und sie war sich nicht sicher, ob sie erleichtert sein sollte.
    »Und was wollen Sie, wenn schon nichts zu trinken?«, fragte er plötzlich und beugte sich zu ihr vor; sein warmer Atem roch nach Bier und schwach nach Zwiebeln.
    Natalie musste sich zwingen, nicht zurückzuzucken. »Ich will eine vorübergehende, sechs Stunden lang gültige neue Identität mit Reisepass und Flugticket erster Klasse auf dem nächsten Parabolexpress von Leeds nach Washington«, sagte sie.
    Ray lehnte grinsend zurück.
    »Viel verlangen Sie ja nicht, wa?« Sein Denkprozess durchlief ein Stadium, das sich sehr schwach auf seinem Gesicht widerspiegelte. Dann grunzte er und brachte sich in eine bequemere Sitzhaltung. »Sie sind diese Doktorin, hab ich Recht? Die, mit der Connor zusammenlebt, wenn er nicht gerade sein Hemdchen auszieht. Die für das Verteidigungsministerium arbeitet. Ich wette, mir winkt ein hübsches Sümmchen, wenn ich Sie nicht auf den Weg schicke. Mehr als …«
    »Mister Innis«, unterbrach sie ihn ruhig, während sie ihr freundliches Lächeln und den Blickkontakt aufrechterhielt. »Meine Akte ist sauber, keine Vorstrafen. Im Augenblick bin ich trotzdem die meistgesuchte Frau in ganz Europa. Wenn ich der Polizei mitteile, dass Sie mich vor der Klinik entführt haben, weil Sie ein Lösegeld erpressen wollen, wird man sich von Ihrer langen Vorstrafenliste ebenso wenig beeindrucken lassen wie von Ihren Versuchen, Laborpersonal zu bestechen, Ihnen regulierte medizinische Gerätschaften zu beschaffen. Das Verschwinden von Dan Connor, der Ihnen Geld schuldig ist, wird dann überhaupt nicht mehr wie ein Zufall aussehen. Davon abgesehen darf ich Ihnen versichern, dass sowohl die amerikanische als auch die europäischen Regierungen so versessen darauf sind, mich zu finden, dass jeder, der auch nur die geringste Verzögerung verursacht, nicht entschädigt, sondern beseitigt wird. Ich habe fünfzehntausend Pfund. Ich möchte einen für sechs Stunden gültigen Pass und den Flugschein. Ich weiß, dass Ihre Kontaktleute so etwas beschaffen können. Besorgen Sie mir alles, auf der Stelle, oder ich stoße Sie in die Scheiße, sobald die Militärpolizei hier auftaucht. Sie haben fünf Minuten, eher weniger.«
    Sie sah, wie er sich bemühte, ihr zu glauben, ohne zu wissen, ob er sie hinhalten konnte, und wenn ja, womit. Sie wusste, dass ihre Vorstellung überzeugend gewesen war, und der Wirkung ihrer überstarken Persönlichkeit, die ihr von der Selfware verliehen worden zu sein schien, seit sie an jenem Morgen aufwachte, vermochte er sich nicht zu entziehen, selbst wenn ihm das Ganze wie ein schlechter Scherz vorkam.
    Nach etwa zehn Sekunden nickte er.
    »Fünfzehn Riesen?«, fragte er. »Dafür bekommen Sie vier Stunden auf dem Pass, und ich habe ihn in ein paar Minuten hier. In einer Stunde geht der nächste Flug. Glauben Sie, das reicht?« Er starrte ihr ins Gesicht und wartete auf ihre Widerworte.
    »Fein.« Sie sendete den Zugriffskode auf das Geld in sein Pad, bevor er Einwände erheben konnte. »Es steht Ihnen zur Verfügung, sobald ich in der Luft bin.«
    Solange sie nur durch die Einwanderungskontrolle kam, war es ihr egal, wann das verdammte Ding auslief. Diese Überweisung machte Natalie doppelt verwundbar, würde jedoch auch Rays Schicksal besiegeln, auch wenn er das noch nicht begriffen hatte; er glaubte noch immer,

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