Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
Vom Netzwerk:
zu. »Aber wissen Sie was? Micromedica-Anwendungen passen ebenfalls in den Hohlraum, und die Dinger reproduzieren auch sie.«
    Sie blieben mitten auf dem Weg stehen und traten zur Seite, um ein paar Jogger vorbeizulassen. Jude musste einen Augenblick darüber nachdenken.
    »Ansteckend?«, fragte er.
    »Darauf können Sie wetten. Tröpfcheninfektion, Hautkontakt, kontaminiertes Wasser – sie nutzen die gesamte Bandbreite der Übertragungswege.«
    »Ist die Reaktion darauf stark?«
    Nell nickte. »Sie würden so sehr husten und niesen, dass Sie als Spraydose durchgehen.«
    »Hm. Sterben sie je ab?«
    »Jude, die Dinger haben eine Micromedica-Schnittstelle. Sie nehmen Befehlszeilen entgegen. Sie sterben ab, wenn Sie es ihnen befehlen.«
    »Eine programmierbare Seuche?«
    »Ein programmiertes Übertragungssystem«, verbesserte sie ihn. »Und denken Sie nach, Jude, das ist noch nicht alles. Dieses Zeug befällt einzig und allein Menschen, aber nichts in der Tierwelt. Es erkennt Gensequenzen. Die Dinger könnten mich von Ihnen unterscheiden.«
    Er starrte sie an. »Man kann doch nicht so viele Fähigkeiten auf so engem Raum unterbringen.«
    »Das biochemische Ingenieurwesen ist weit gekommen, seitdem Sie Ihren Abschluss gemacht haben.« Nells Gesicht war verhärtet. »Ich weiß nicht, wofür man sie einsetzen will, aber ich hoffe bei Gott, dass ein verantwortungsbewusster Mensch darüber entscheidet. Gehören sie uns?«
    »Ich habe sie über die CDC erhalten«, gab er zu.
    Sie nickte. »Okay. Okay. Das war’s für mich. Ich habe nichts mehr damit zu tun. Wir sehen uns.« Mit erhobenen Händen wich sie zurück. »Und wenn Sie das nächste Mal etwas finden, denken Sie bitte nicht zuerst an mich.«
    »Hören Sie, Nell«, begann er. »Es tut mir Leid …«
    »Schon gut.« Sie drehte sich um und schlug den Nachhauseweg ein.
    Jude blickte ihr nach und setzte sich dann auf eine Bank in der Nähe. Es war schon warm, aber die Sonne stieg erst noch in den blauen Himmel, und der Stadt stand ein weiterer stickiger Tag bevor. Kein Wunder, dass man Tetsuo für seine Einmischung liquidiert hatte; aber wer war man? Und recht bedacht – hatte er wirklich sterben müssen? So gut war die Ampulle nun auch nicht versteckt gewesen. Vielleicht war Tetsuos Beseitigung schon länger geplant gewesen, weil man befürchtete, er könnte reden, aber ohne gewusst zu haben, dass er etwas auf die Seite geschafft hatte.
    Ob man Tetsuo durchschaut hatte oder nicht, konnte Jude nun nicht mehr feststellen. Die Fähigkeit zur Gensequenzerkennung und die Ingenieurskunst erinnerten ihn jedoch sofort an das Unternehmen, das Iwanow in Florida betrieben hatte, nur dass der Umfang hier alles da Gewesene weit zu übertreffen schien. Kein Wunder, dass Mary nichts gefunden hatte, wenn Iwanow und sein Betrieb vor ihrer Ankunft von der Regierung evakuiert worden war. Die Absprache zwischen den Abteilungen war wirklich verbesserungswürdig – doch niemand redete freiwillig über solche Dinge. Niemals. Stellte das System in der Ampulle einen Rechtsbruch dar? Mehreren internationalen Abkommen zufolge ja, doch hier hatte Jude es und zweifelte kaum noch, dass es amerikanischen Ursprungs war. Vielleicht sollten sie sich bei ihrer Einladung nach Dugway genau dieses System ansehen, die legitime Antwort der Vereinigten Staaten auf die Bedrohung durch biologischen Terror.
    Es war und blieb jedoch eine verheerende Waffe. Nell musste es vorgekommen sein, als beobachtete sie den allerersten Atombombentest. Schlimmer noch. Diese Waffe besaß potenziell die Genauigkeit eines Skalpells, verglich man sie mit der Hammerwirkung konventioneller Bomben und Schusswaffen. Die Vorstellung, über ein System mit genetischer Zielerkennung und variabler Nutzlast zu verfügen – Jude fühlte sich solcher Verantwortung nicht gewachsen. Er saß auf seiner Bank, betrachtete die vorübergehenden Leute und blickte auf das Gras, ohne etwas zu denken. Schließlich stand er auf und ging zur Arbeit, in der Jackentasche die Ampulle, die so leicht war, dass er sie nicht spürte.

 
14
     
     
    Michail Guskow blickte sich im Innern der Abgeschotteten Anlage um, wo ihm Mary Delaney und ihre uniformierten Kollegen seine Betriebszentrale eingerichtet hatten. Ihre geringen Abmessungen, die effiziente Ausnutzung auch des letzten Winkels und die mit technischen Symbolen und Anweisungen bedeckten Wände erinnerten an ägyptische Gräber. Ihm war sehr wohl bewusst, dass dies der letzte Ort sein konnte, den er auf

Weitere Kostenlose Bücher